Glaube im Alltag
Dieses Wochenende findet der deutsche evangelische Kirchentag statt, diesmal in Stuttgart. Auch aus Trier ist mindestens eine Busladung Teilnehmer dorthin unterwegs.
Der Kirchentag begeistert mich jedes Mal von neuem. Besonders spannend finde ich die Vielfalt, die dort gelebt wird. An manchen Ecken stehen dort fundamentalistische Biblizisten, die mit selbst gemalten Plakaten vor Gottes Gericht warnen; daneben läuft ein 16-jähriger Punk, der eigentlich gar nichts von Gott hält, aber zum Spaß mal am Kirchentag teilnehmen wollte. Zwischen solchen Extremen sind alle Schattierungen des Christseins vorhanden: Evangelisch, katholisch, orthodox, freikirchlich - alles ist dabei. Konservative, Liberale, Unpolitische; Fromme und Zweifler; Kinder, Erwachsene, alte Menschen: Beim Kirchentag ist Raum für alle. Er ist ein schillerndes Beispiel für die Unterschiedlichkeit des Glaubens. Dabei ist er gleichzeitig die wohl friedlichste und harmonischste Großveranstaltung, die man sich vorstellen kann. Viele der Glaubens- und Lebensentscheidungen, denen man dort begegnet, sind mir fremd. Manches reizt und interessiert mich, anderes ist mir zumindest suspekt. Nicht immer fällt es leicht, alle Glaubensäußerungen als legitim anzuerkennen. Sicherlich gibt es auch Dinge, die man nicht hinnehmen muss. Die Vielfalt, die uns auf dem Kirchentag begegnet, macht aber in erster Linie deutlich: Unseren Glauben kann man nicht einfangen, nicht kanalisieren. Gottes Geist weht wo und wie er will. Und wir Menschen sind nun mal so verschieden, wie Gott uns geschaffen hat. Gelegenheiten wie der Kirchentag zeigen: Es ist gut, dass es so ist. Matthias Ratz ist Pfarrer in Trier.