Graue Eminenz im Hintergrund

TRIER. Zwischen dem Trierer Theater und der Karl-Marx-Straße verläuft er schmal und unauffällig: der Heinz-Tietjen-Weg. Genau so unauffällig als Person war auch sein Namenspate Heinz Tietjen, zwischen 1907 und 1922 Intendant am Trierer Theater und zeitlebens eine führende Figur in der deutschen Theaterszene. Kein Mann der großen Gesten und Worte. Er wirkte im Hintergrund – leise, aber nachdrücklich.

"Heinz Tietjen" ist noch gut zu lesen, doch das Wort "Weg" scheint mit dem blassblauen Straßenschild zu verschmelzen. Und ein zweites Schild ist darunter angebracht, mit einer Erklärung, der Wind und Wetter noch nicht so zugesetzt haben: Heinz Tietjen (1881 - 1967), 1907 bis 1922 Intendant am Trierer Theater, später Generalintendant aller preußischer Staatstheater.Begabter Trierer Dirigent macht Karriere in Berlin

Maßgeblich hat Tietjen die Trierer Theater- und Musiklandschaft beeinflusst, spielte 1919 bei der Gründung des Städtischen Orchesters eine Hauptrolle. Aber auch nach seiner großen Zeit als Dirigent und Intendant an vielen anderen Wirkungsstätten hatte er immer ein Auge auf die Moselstadt, brachte zuletzt, drei Jahre vor seinem Tod, mit 83 Jahren 1964 noch die Oper "Ariadne auf Naxos" von Richard Strauß zur Aufführung. Zeitlebens mit Tietjens Person verbunden blieb aber auch eine undurchsichtige Haltung zum Nazi-Regime, dem er einerseits mit seiner Personalpolitik in den 30er-Jahren absolut entsprach, der er sich andererseits aber auf künstlerischer Ebene immer wieder subtil zu entziehen wusste. Heinz Tietjen wurde am 24. Juni 1881 als Sohn britisch-deutscher Eltern in Tanger, Marokko, geboren. Er machte eine kaufmännische Lehre, wurde jedoch während einer Schifffahrt von dem damaligen Star-Dirigent Arthur Nikisch entdeckt und war dann dessen Schüler. 1904 wurde Tietjen in Trier zweiter Kapellmeister, 1906 erster und schon im Jahr 1907 Intendant des Trierer Theaters - mit nur 26 Jahren. 1908 dirigierte er Wagners "Ring der Nibelungen". Tietjen arbeitete vielschichtig. Der schmallippige junge Mann war ein exzellenter Organisator, brachte einen großen Spielplan nach Trier. 107 Erstaufführungen bescherte er den Kunstfreunden der Stadt, darunter Puccinis "Tosca". In Trier heiratete Tietjen die Sängerin Johanna Steyer. Doch der begabte Dirigent und Regisseur blieb nicht an der Mosel. Er arbeitet zunächst in Breslau, dann in Berlin, wird dort 1925 Intendant der Städtischen Oper und schon 1926 Generalintendant aller preußischen Staatstheater. Tietjens Talent kann auch den Nazis nicht verborgen bleiben. Noch von den Sozialdemokraten in Amt und Würden gesetzt, bleibt Tietjen nach der Machtergreifung Hitlers Generalintendant, erweitert seinen Einfluss stetig. So beginnt er eine Affäre mit Richard Wagners Schwiegertochter Winifred und wird damit neben ihr ab 1931 künstlerischer Leiter der Bayreuther Festspiele. Später übernimmt er sogar die Vormundschaft für die Kinder Winifreds, was diese nicht sehr gern sahen. Tietjen lässt sich nicht von der künstlerischen Ästhetik der Nazis beeinflussen, mistet bei den Inszenierungen Althergebrachtes aus, fördert vor allem in Berlin junge Künstler. Dabei scheut er stets Konflikte, ist eher jemand, der sich mit den Mächtigen arrangiert. Das bleibt auch in seiner Nachkriegskarriere so, als er 1948 Direktor der städtischen Oper West-Berlin wird und 1956 Intendant der Hamburger Staatsoper. 1958 bekommt Heinz Tietjen das Ehrensiegel der Stadt Trier, geht 1959 in den Ruhestand. Im gleichen Jahr setzt er sich mit einer flammenden Rede vor dem Trierer Stadtrat für einen Neubau des Theaters ein, ist bei der Grundsteinlegung im Jahr 1962 dabei und dirigiert schließlich 1964 die "Ariadne" in dem neuen Bau. Am 30. November 1967 stirbt Heinz Tietjen in Baden-Baden.

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