Gregor Gysi als Mut- und Muntermacher

Der Bundestagsfraktionschef als Mutmacher: Gregor Gysi lockt bei seinem Wahlkampfauftritt in Trier nicht nur mutmaßliche Linke-Wähler an. Der Trierer Wahlkreis-Kandidat Marc-Bernhard Gleißner strahlte nach Gysis bejubelter 90-Minuten-Rede: "Ich bin ganz sicher, dass wir den Einzug in den Landtag schaffen."

 Der Wahlhelfer und der Kandidat: Gregor Gysi (links) und Marc-Bernhard Gleißner. TV-Foto: Roland Morgen

Der Wahlhelfer und der Kandidat: Gregor Gysi (links) und Marc-Bernhard Gleißner. TV-Foto: Roland Morgen

Trier. Man könnte auf die ketzerische Idee kommen, ohne Gysi gehe bei den Linken nicht viel. Der offizielle Veranstaltungsbeginn ist schon um mehr als 15 Minuten überschritten, aber es tut sich nichts im voll besetzten hinteren Saal der Europahalle. Auch die regionalen Partei-Protagonisten üben sich in geduldigem Warten, statt schon mal loszulegen. Ein Beifallssturm brandet auf, als "der Gregor" endlich den Saal betritt und schnurstracks zum Podium eilt.

Plötzlich ist Stimmung im Laden. Linke-Landeschef Wolfgang Ferner (58) aus Rommersheim bei Prüm zeigt sich spürbar motiviert durch die Anwesenheit des prominenten Wahlhelfers: "Die Linke ist die einzig wahre Alternative. Alle anderen haben alles verschlafen." Markige Worte auch von Spitzenkandidatin Tanja Krauth (42) aus Birkenfeld: "Je stärker die Linke, desto sozialer das Land" und "Von Arbeit muss man leben können - und ohne Arbeit auch."

Das alles steht auch im Wahlprogramm. Nicht aber das, was Gysi anschließend sagt. Fast 90 Minuten dauert seine Rede, gespickt mit vielen aktuellen Spitzen, etwa gegen westliche Regierungen ("Von wem hat Gaddafi denn die Waffen, die er auch jetzt noch gegen das libysche Volk richtet?", "Länder, die jetzt Bomben werfen, kaufen weiter von Gaddafi Erdöl") oder gegen die Atompolitik der Bundesregierung. Da ist der 62-jährige Diplom-Jurist und gelernte Facharbeiter für Rinderzucht in seinem Element. Gelegentlich geht auch mal der Gaul mit Gysi durch, etwa, wenn er Umweltminister Röttgens Abteilungsleiter für Reaktorsicherheit versehentlich "General" Hennenhöfer (statt Gerald) nennt. Die 250 Zuhörer sehen es dem Mann am Rednerpult gerne nach, denn seine Ausführungen sind nie langweilig, ermüdend oder plump polemisch. Der brillante Rhetoriker könnte problemlos von Spitzenpolitiker auf Kabarettist umsatteln. Das Publikum ist hin- und hergerissen zwischen andächtigem Nicken und Jubelstürmen. Gysi als Visionär ("Der Krieg in Afghanistan hat Deutschland bislang 25 Milliarden Euro gekostet. Stellen Sie sich vor, man hätte das Geld in den Aufbau des Landes investiert!"), Gysi als augenzwinkerndes Schlitzohr ("Die Linke verzeichnet das mit Abstand geringste Aufkommen an Parteienspenden. Wenn Sie also mal was zu vererben haben"…) - der Balanceakt auf dem schmalen Grat zwischen Betroffenheitserzeugung und Albernheit gelingt. Da fällt kaum ins Gewicht, dass Gysi erst spät die Kurve zu den real -existierenden Politik-Verhältnissen in Rheinland-Pfalz kriegt. Und zwar via Umweg über Stuttgart 21: Er fordert dazu auf, "vom schwäbisch-rebellischen Zeitgeist zu lernen und zu sagen: ,Jetzt ist aber gut!'" Sein Resümee: "Der Landtag in Mainz hat uns verdient." Reaktion: lang anhaltender Beifall selbst von Besuchern, die nicht unbedingt zur Linken-Szene gehören.

Während Gysi bereitwillig Fotowünsche erfüllt, strahlen die Trierer Oberlinken Katrin Werner (37; Bundestagsabgeordnete) und Landtagskandidat Marc-Bernhard Gleißner. "Ich bin jetzt ganz sicher, dass wir den Einzug in den Landtag schaffen", sagt der 27-Jährige.

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