Grimms Abschied ohne Grimm

TRIER. Der SPD in der Stadt Trier steht ein massiver Umbruch ins Haus. Nach dreißig Jahren verabschiedet sich Christoph Grimm aus seiner letzten Führungsposition. Am Samstag soll Sozialministerin Malu Dreyer im Awo-Haus als Hoffnungsträgerin den Vorsitz der von Niederlagen und Frust gebeutelten Truppe übernehmen.

Das Awo-Tagungshaus am Gillenbachtal hat schon etliche SPD-Parteitage gesehen. Zusammen mit der Löwenbrauerei galt das Heim der Arbeiterwohlfahrt als Hauptquartier der Trierer Sozialdemokratie in guten wie in schlechten Tagen. Von hier aus wurden Bundestagsmandate erobert, Regierungskarrieren gestartet, die Stellung der CDU als stärkste Fraktion im Trierer Stadtrat attackiert. Anno 2005 gibt es weder Bundestagsabgeordnete noch Regierungsmitglieder aus dem SPD-Stadtverband. Karriere hat von hier aus schon lange keiner mehr gemacht, und im Stadtrat liegt man in der Nähe der 20-Prozent-Marke, knapp vor den Grünen. "Zwölf Jahre Agonie" bescheinigt der stellvertretende Parteivorsitzende Christian Schmitz seinen Genossen in einer vertraulichen E-Mail, die Mitte vergangenen Jahres in einem Verteiler "erneuerungswilliger" Sozis kursierte. Da verwundert es nicht, dass Mainz-Import Malu Dreyer an der Parteibasis geradezu messianische Erwartungshaltungen auslöst. Seit im vergangenen Frühsommer bekannt wurde, dass die Sozialministerin nach der Heirat mit dem Trierer Klaus Jensen ihren Lebensmittelpunkt an die Mosel verlegen will, schöpften selbst diejenigen im Parteivolk wieder Hoffnung, die längst alle Zukunftsperspektiven für die zerstrittene Stadtpartei drangegeben hatten. "Die Malu wird's schon richten", heißt es in vielen Ortsvereinen. Um der Neuen einen ordentlichen Start zu ermöglichen, haben die unterschiedlichen Interessengruppen eine Art Burgfrieden geschlossen. Man wolle "keine Generalabrechnung", heißt es bei den Kritikern der bisherigen Linie. Das bedeutet vor allem einen friedlichen Abschied für die Reizfigur Christoph Grimm, der nach 30 Jahren im Parteivorstand sein Amt als Vorsitzender abgibt. Sogar Ministerpräsident Kurt Beck macht Zwischenstation im Awo-Haus, um dem geschätzten, aber nicht übermäßig geliebten Weggefährten die Ehre zu erweisen. Drei Jahrzehnte hat Grimm die Trierer Partei geprägt. Als Shootingstar und intellektuelles Aushängeschild ohne Angst vor unbequemen Themen. Als Polarisierer, der für Profil sorgte, aber auch maßgeblichen Anteil an der fatalen Spaltung der Partei hatte. Als Grummler, der aus Mainz den Niedergang seines Stadtverbandes kommentierte wie Waldorf und Statler die Muppetshow. Und zuletzt als erfolgloser Sanierer, dessen Kraft zur grundlegenden Erneuerung nicht mehr ausreichte. Von alledem wird beim Parteitag kaum die Rede sein. Grimm selbst hat sich im Vorfeld Schweigen auferlegt, obwohl seine Partei-Geschäftsstelle der Presse Interviews regelrecht angeboten hatte. Und seine Kritiker signalisieren, dass sie den Abschieds-Weihrauch nicht stören wollen. Wie wirklich gedacht wird, lässt sich der eingangs erwähnten E-Mail entnehmen. Generationen von SPD'lern, so heißt es dort jubilierend, seien "endlich am Ziel", wenn sich "der Genosse Grimm am 15. Januar aus der aktiven Politik zurückzieht". Freilich, so heißt es mit warnendem Unterton, schließe das nicht aus, "dass er nach einer Konstellation streben könnte, die ihm Macht und Einfluss sichert". Gegen diese These spricht, dass Grimm 2006 sein Landtagsmandat abgibt. Malu Dreyer gilt auch dort als sichere Nachfolgerin. Für den Nachrücker-Platz wird der neue starke Mann der Stadtratsfraktion, Peter Spang, gehandelt. Große Hoffnungen auf einen Parlaments-Einzug dürfte er sich freilich nicht machen, pflegen in Rheinland-Pfalz die Minister doch ihr Landtagsmandat selbst bei Wiederwahl zu behalten. Anders wäre es allerdings, wenn Dreyer doch um den OB-Sessel in Trier antritt. Diese wichtigste Personalie ist bei den Genossen derzeit völlig offen. Die neue Vorsitzende lässt bislang wenig Neigung erkennen, ganz in die Niederungen der Kommunalpolitik hinabzusteigen.OB-Kandidatensuche als "schwierige Aufgabe"

Das könnte sich noch ändern, glaubt ein führender Trierer Christdemokrat. Seine Prognose: "Wenn Kurt Beck als SPD-Landesvorsitzender eine reelle Chance sieht, die CDU-Bastion Trier zu erobern, wird er mit Dreyer sicher noch mal reden". Die allseits Gefragte beschränkt sich auf die Auskunft, die Findung eines OB-Kandidaten sei eine "schwierige Aufgabe für den neuen Vorstand". Ansonsten versprüht sie einen ehrlich wirkenden Optimismus. Die hohe Erwartungshaltung biete die Chance, "Menschen zur Mitarbeit zu motivieren". Sie sei "team-orientiert" und setze auf Einsatzbereitschaft. Nötig sei aber ohne Frage, die SPD in Trier "stärker zu profilieren als bisher".

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