Größer als der König

TRIER. Der Titel klingt zunächst einmal wie gemacht für Spezialisten: "Buchmalerei für Metz und Trier im 14. Jahrhundert. Die illuminierten Handschriften aus der Falkenstein Werkstatt" hat Christine Beier ihre Dissertation genannt. Doch bei der Vorstellung ihrer nun gekürzt und überarbeitet in Buchform vorliegenden Arbeit wurde deutlich, dass ihr Thema auch Laien faszinieren kann.

Welche Anziehungskraft mittelalterliche Buchmalerei noch immer - oder von neuem - ausübt, war schon lange vor Beginn der Buchvorstellung in den Räumen der Dom-Information zu erahnen: Die Stühle wurden knapp. Auf dem Programm standen nicht nur die Geschichte eines großen Erzbischofs und die Aufklärung über ein nationalistisches Missverständnis, sondern auch zwei Originale mittelalterlicher Codices. Doch der Reihe nach: Von 1989 bis 1996 studierte Chistine Beier in Trier Kunstgeschichte, Architektur und Germanistik. Anschließend befasste sich die aus Mecklenburg-Vorpommern stammende Wissenschaftlerin in ihrer Dissertation mit den Handschriften aus der so genannten Falkenstein-Werkstatt. Dabei betreuten sie die Trierer Professoren Franz Ronig und Michael Victor Schwarz. Der Trierer Erzbischof und Kurfürst Kuno von Falkenstein (1362 bis 1388) gilt als eine der eindrucksvollsten und faszinierendsten Persönlichkeiten seiner Zeit. Nicht nur, weil er ein politisch äußerst erfolgreicher Kirchenfürst war, sondern auch wegen seiner Liebe zur Kunst. Dieser verdankt die Nachwelt einige bemerkenswerte Handschriften - darunter das bekannte große Perikopenbuch, dessen Entstehung auf das Jahr 1380 datiert wird. Beeindruckend ist noch heute das Titelbild dieses liturgischen Jahreskalenders, das den Trierer Erzbischof in der Pose des Herrschers zeigt: "Gegen den Anspruch des Cuno von Falkenstein war der des Königs ein wenig kleiner", sagte Professor Ronig bei seiner Einführung in das Thema. Gemeinhin wird angenommen, dass die von Cuno in Auftrag gegebenen Handschriften von einer festen Gruppe von Illuminatoren gestaltet wurden, der so genannten Falkenstein-Werkstatt. Anhand verschiedener Illustrationen und Miniaturen, die sie als Lichtbilder vorführte, erklärte Beier ihrem Publikum die stilistischen Eigenheiten der Falkenstein-Werkstatt und wies - neben aus Paris übernommenen Stilelementen - den großen Einfluss der Metzer Buchmalerei auf die Falkenstein-Werkstatt nach. Eine Wirkung der mittelrheinischen Tafelmalerei auf die für Cuno arbeitenden Illuminatoren ist nach den Erkenntnissen Beiers bislang nicht nachweisbar.Ergebnis von Ausbildung und Auftragslage

Sie betonte, dass für den Stil einer mittelalterlichen Buchmaler-Werkstatt vor allem prägend war, "was die Buchmaler gelernt haben, und nicht der vermeintliche Charakter eines Volkes". So sei der prächtige Stil der Pariser Buchmaler auf die dortige Konkurrenzsituation und die höheren Ansprüche der höfischen Kundschaft zurückzuführen. Der etwas schlichtere Stil der Falkenstein-Werkstatt sei demgegenüber keinesfalls "typisch deutsch", sondern vielmehr ein Ergebnis von Ausbildung und Auftragslage. Und dieses Ergebnis, da waren sich wohl alle Besucher der Buchvorstellung einig, kann auch für Laien faszinierend sein.

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