Große Ideen für eine grüne Logistik

Trier/Schweich/Konz · Der Lieferverkehr in der Trierer Innenstadt stört viele Menschen. Doch wie kann die Logistik der Zukunft aussehen? Der Bremer Professor Hans-Dietrich Haasis präsentierte jetzt seine Ideen für eine grüne Stadtlogistik in Trier, Schweich und Konz.

Trier/Schweich/Konz. Irgendwo in Trier, Schweich oder Konz, im Jahr 2020: Ein Fußballfan greift zu Hause in seinen Kühlschrank und nimmt sich eine Flasche Bier. Nebenan im Wohnzimmer flimmert die erste Halbzeit der Begegnung Deutschland-Niederlande auf dem Fernseher. Es war die letzte Flasche. Zu Beginn des Spiels schon kein Bier mehr? Was heute viele Fans nervös werden lässt, ist 2020 kein Problem mehr. Denn der Kühlschrank wird nicht nur von Solarzellen auf dem Dach mit Energie versorgt. Er ist auch mit dem Internet verbunden. Selbstständig meldet er den Getränkemangel an einen Supermarkt oder an ein Warenlager. Von dort wird einem Ausfahrer im Elektroauto Nachschub mit auf den Weg gegeben. Pünktlich zur zweiten Halbzeit ist der Kühlschrank wieder voll. Und der Fahrer kann auf der Hofeinfahrt seinen Wagen aufladen.
So in etwa sieht für Professor Hans-Dietrich Haasis vom Institut für Seeverkehrswirtschaft und Logistik (ISL) in Bremen die Zukunft der Logistik aus. Seine Vision der "grünen Stadtlogistik" für das Städtenetz Konz-Trier-Schweich präsentierte er Vertretern aus Politik, Wirtschaft und Institutionen während einer Schiffstour auf der Mosel. Und Aufklärung tut not. "Wir alle wissen nicht so recht, was sich hinter dem Begriff verbirgt", sagte TV-Redakteur und Moderator Dieter Lintz. Mit der Veranstaltung will das Städtenetz eine neue Diskussion über die Stadtlogistik der Zukunft anstoßen.
Das versteht man unter grüner Stadtlogistik: Grüne Stadtlogistik und E-Mobilität, also der Transport von Waren und Passagieren mit elektrisch angetriebenen Fahrzeugen, sind eng miteinander verbunden. "Man muss vernetzt denken", sagt Haasis. Soll heißen: Auch per Bus, Taxi oder Moselschiff können Waren zwischen Trier, Konz und Schweich transportiert und in den Städten verteilt werden. Ziele sind etwa weniger Leerraum und weniger Standzeiten für Transportmittel. Gesteuert würde das von einem Computerprogramm.
Das sind die Trends in der Logistik: Mit der Globalisierung nehmen internationale Arbeitsteilung und damit die Warenströme zu. Auch mit dem Internethandel nimmt der Lieferverkehr zu. Haasis: "Die Größe der Pakete nimmt tendenziell ab, ihre Zahl steigt an." Da ältere Menschen oft weniger mobil seien, müsse mit dem demografischen Wandel zukünftig mehr Ware bis zur Haustür geliefert werden.
So können Trier, Schweich und Konz zur Modellregion werden: Der Wissenschaftler weist auf einige Besonderheiten in der Region hin, sogenannte Alleinstellungsmerkmale. Das Städtenetz sei in seiner Form einzigartig. Schiene, Straße und Wasser könnten als Verkehrswege gut verknüpft werden. Das Güterverkehrszentrum (GVZ) am Trierer Hafen liegt an so einem Knotenpunkt. Es existierten bereits die Schienen für eine Ringbahn. Es gibt einen runden Tisch und seit 1998 eine detaillierte Studie zum Thema Stadtlogistik.
Das wurde schon getan: 1998 hatte die Stadt eine Studie in Auftrag gegeben, in der die Wirtschaftsverkehrsströme untersucht wurden. Ein sogenanntes Warenhotel - ein zentraler Umschlagplatz für den innerstädtischen Einzelhandel in Bahnhofsnähe, von dem die Güter mit Elektrolieferwagen verteilt werden können - blieb wegen Geldmangel und fehlendem politischen Willen in der Planungsphase stecken. Das Städtenetz testet aber bereits drei E-Autos, drei weitere kommen Anfang 2012 hinzu. Oberbürgermeister Klaus Jensen weist darauf hin, dass die Region mit seinen vielen Windrädern und dem geplanten Pumpspeicherkraftwerk bei Schweich in Sachen regenerative Energie führend sei.
So kann es weitergehen: Johannes Weinand, Leiter des Amts für Stadtentwicklung und Statistik, will sich noch in diesem Jahr mit Unternehmern an den "runden Tisch Einzelhandel" und den "runden Tisch Logistik" setzen, neue Lieferkonzepte besprechen und einen Förderantrag für ein Modellprojekt beim Verkehrsministerium stellen. "Ein innenstadtnahes Warenhotel kann Lieferverkehr um bis zu 50 Prozent reduzieren", sagt Weinand. Außerdem solle das bestehende Logistikkonzept auf Konz und Schweich ausgeweitet werden. Zusätzlich will er die Planungen für eine Ringbahn vorantreiben. Um den Elektroverkehr zu bevorzugen, müsse über neue Regelungen nachgedacht werden: etwa die Freigabe von Busspuren für E-Autos oder eine City-Maut.
So ist es finanzierbar: Grundsätzlich muss sich grüne Stadtlogistik für Unternehmen und Kunden wirtschaftlich lohnen. Um Modellprojekte zu starten, könnten nach Ansicht von Haasis zahlreiche Förderprogramme vom Bund und der EU in Anspruch genommen werden. "Die Aussichten, Geld zu bekommen, sind sehr gut. Sie müssen es nur versuchen", sagt der Professor.

Bis die Bier- oder Saftflaschen selbstständig in die Kühlschränke der Bürger finden, wird es wohl noch ein wenig dauern. Technisch sei das laut Haasis bereits möglich. Bisher hakt es eher an der Koordination und der Frage der Wirtschaftlichkeit. Aber zum Kühlschrank muss der Fußballfan wohl auch in Zukunft selbst laufen.Während der Europäischen Mobilitätswoche gibt es am Sonntag, 25. September, auf dem Viehmarkt in Trier einen Aktionstag. Bürger können von 10 bis 17 Uhr ein Elektroauto, ein elektrisch unterstütztes Fahrrad (Pedelec) ausprobieren oder sich über regionale ÖPNV-Angebote informieren. Personalausweis und Führerschein sollten mitgebracht werden. Abgerundet wird das Programm von der Energieagentur mit Beratungen zum Energiesparen. Die Fachhochschule Trier präsentiert das Experimentalfahrzeug proTron. red

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