Großer Lärm, kurze Dauer

TRIER. Vor 35 Jahren war die Politik mutiger als heute: In einem großen Reformschritt wurden Kreise, Städte und Kommunen zusammengelegt, um die Verwaltung effektiver zu gestalten. Der Lärm war riesig, aber nach wenigen Jahren war die Aufregung vergessen: So lautet das Fazit von Polit-Zeitzeugen.

Wenn sich Horst Langes an die große Gebietsreform Ende der Sechziger erinnert, fällt ihm als erstes eine Bürgerversammlung im Filscher Häuschen ein. Gemeinsam mit seinem SPD-Kollegen Hans König zog der damalige Jung-CDU-Landtagsabgeordnete in die Schlacht um die Eingemeindung der Höhenstadtteile Tarforst, Kernscheid, Filsch und Irsch. "Wir mussten mitten im Saal stehen", erinnert sich Langes. "Wie beim Ping-Pong" seien ihnen die Argumente um die Ohren geflogen, eine hitzige Schlacht habe damals getobt, egal ob auf der Höhe, in Ehrang oder Zewen. Die Stärkung der Städte war seinerzeit eines der Hauptanliegen der Reform, die der designierte Ministerpräsident Helmut Kohl mit Mut zum Risiko und Blick auf die Zukunft vorantrieb. In Mainz hatten sich CDU und SPD auf eine gemeinsame Linie verständigt, und nun war es die Aufgabe der Abgeordneten, die Basis daheim auf die unbequemen Neuerungen einzuschwören. Als das Ausmaß der Veränderungen deutlich wurde, gingen die Wogen hoch. Hunderte von Gemeinden im Lande mussten ihre Selbstständigkeit aufgeben und mit einer Rolle als Stadtteil vorlieb nehmen. Auch den Kreisen ging es an den Kragen: Allein in der Region Trier wurden aus den sechs Kreisen Trier-Land, Saarburg, Bitburg, Prüm, Bernkastel und Wittlich drei neue geformt. Mancher konnte sich auch behaupten: So gelang es dem Konzer Bürgermeister Michael Kutscheid, die Trierer Eingemeindungs-Begehrlichkeiten abzuwenden. Angesichts des "kleinen Angebots" aus der Stadt sei der Verzicht auf die Eigenständigkeit "nicht in Frage gekommen". Kutscheid agierte aber auch in umgekehrter Richtung. Etliche Umland-Gemeinden von Konz wie Könen oder Oberemmel holte er seinerseits ins Eingemeindungs-Boot. Allerdings hatte er auch ordentlich was zu bieten: Helmut Kohl persönlich autorisierte ihn, willigen Ortsbürgermeistern eine Verdopplung der Mainzer Schlüsselzuweisungen über mehrere Jahre zu versprechen. "Da war das gar nicht so schwierig, die positiv zu stimmen", erinnert sich der 81-Jährige. Über die Bürgermeister habe man auch die Gemeinderäte friedlich gestimmt. Stürmischer ging es in den größeren Gemeinden des alten Kreises Trier-Land zu, der mit Saarburg fusioniert werden sollte. Der damalige Landrat Braun-Friderici, ein ausgefuchster Stratege, hatte noch rasch eine Großgemeinde Ehrang-Pfalzel geschaffen. Dort saß ein großes Widerstandsnest, weiß der damalige SPD-Stadtrat Klaus Natus: "Die dachten, da ginge die Welt unter." Nach der Eingemeindung zogen starke Protestler-Listen in den neuen Trierer Stadtrat ein - aber sie blieben nicht lange. "Nach fünf, spätestens zehn Jahren war der Spuk vorbei", sagt Natus. Letztlich, so versichern Langes, Kutscheid und Natus einmütig, hätten alle den Sinn der schmerzlichen Aktion eingesehen. Aber in einem sind sie sich auch einig: Ohne den Druck und die "Lockmittel" des Landes und ohne die faktische große Koalition wäre der große Schnitt damals gescheitert.

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