Grüne Tomaten und blaue Kartoffeln

Nachhaltig leben - für immer mehr Menschen wird das wichtig. Der Begriff nachhaltig kommt aus der Forstwirtschaft. Vereinfacht gesagt: Es wird nicht mehr Holz gefällt als nachwächst. Bei der 1992 in Rio verabschiedeten Agenda 21 wurde das Prinzip in die Umwelt- und Entwicklungspolitik übertragen. Wie kann die Menschheit die vorhandenen Ressourcen auf der Erde verantwortungsbewusst nutzen? Die Frage wird seitdem nicht nur in der großen Politik gestellt, sondern auch im Lokalen. In Trier vom gemeinnützigen Verein Lokale Agenda 21 (LA 21). In loser Reihenfolge erklären LA-21-Mitglieder in einem TV-Gastbeitrag, wie sich Nachhaltigkeit konkret in der Region leben lässt. Heute: Karolin Mildenberger.

 Karolin Mildenberger.Foto: Privat

Karolin Mildenberger.Foto: Privat

Die Biodiversität, also die biologische Vielfalt, wird zunehmend gefährdet: vor allem durch maßlose Großkonzerne und schwindende Regenwälder. Die Wichtigkeit nachhaltigen Wirtschaftens rückt daher immer mehr ins allgemeine Bewusstsein.
Dabei beschäftigt man sich im Rahmen der Biodiversitäts-Konventionen auch mit dem Erhalt der Kulturpflanzen in unseren Breiten.
Gerade diese Vielfalt hat nämlich die Entwicklung unserer Gesellschaften erst ermöglicht: Seit jeher liefern uns Pflanzen Medizin, Stoffe, Farben, Baumaterialien, vor allem aber Nahrung. Der Mensch hat Wildpflanzen dazu seinen Bedürfnissen entsprechend kultiviert. Über lange Zeiträume hinweg sind so durch Selektion Sorten entstanden mit einem breiten Spektrum an Farben, Formen und Geschmäckern.
Ehe man Lebensmittel im Supermarkt kaufen konnte, sicherte so die genetische Vielfalt im Garten die saisonale Ernährung für Mensch und Tier. Das Wissen um Anbau und Vorzüge bestimmter Arten wurde über Generationen weitergegeben - bis Saatgutkonzerne in jüngster Zeit die historisch gewachsene Vielfalt durch "leistungsstarke" Universalsorten und nicht selbst-vermehrbare Hybride verdrängten.
Nach dem Motto "Bewahren durch Aufessen" sammelt der 1996 gegründete Verein zur Erhaltung und Rekultivierung von Nutzpflanzen in Brandenburg (Vern) mittlerweile beinahe vergessene, sortenfeste Kulturpflanzen, vermehrt sie und bringt damit die Vielfalt zurück in die Gärten und auf unsere Teller.
Maßgeblich beim Samenbau sind dabei die lokalen Boden- und Klimaverhältnisse: Welche Sorte kommt in unseren Breiten zur vollen Fruchtreife? Welche schmeckt am besten? Welche liefert zufriedenstellende Erträge? Generell geht man davon aus, dass sogenannte Land- oder Lokalsorten in einem Zeitraum von 30 Jahren entstehen.
Wechselnde Umweltbedingungen (wie ausgedehnte Trockenheits- und Kälteperioden)können jedoch auch höheres Tempo vorgeben, so dass sich Merkmale mancher Sorten weit schneller verändern.
Als Hüter eines eigenen Saatgutschatzes kann man durch Beobachtung und züchterische Auslese jedoch auch auf eine erhöhte Dynamik der Ökosysteme reagieren.

In Kooperation mit den Caritas-Werkstätten Trier wurden in diesem Frühjahr zwölf historische Tomatensorten in allen erdenklichen Farben und Formen angebaut, darunter auch braunfäuleresistentere Freilandsorten. Eine Frucht trägt genügend Saatgut, um die Sorte über Jahre im eigenen Garten zu erhalten. Somit kann jeder Hobby-Gärtner zum Bewahren der biologischen Vielfalt beitragen.
Wer sich für die zwölf Tomatensorten interessiert, erhält sie gegen eine Spende bei einem Pflanzen-Tauschmarkt, den die Initiative Transition Trier am 1. Mai von 11 bis 16 Uhr in der Tufa veranstaltet.
Dort besteht auch die Möglichkeit, eigene Setzlinge mit anderen zu tauschen, ökologisches Saatgut zu erwerben und an spannenden Workshops teilzunehmen.
Weitere Informationen zum Pflanzentauschmarkt auf www.transition-trier.de.
Extra

Karolin Mildenberger ist 30 Jahre alt und macht gerade ihren Abschluss in Angewandter Biogeografie, Geobotanik und Anglistik an der Universität Trier. Beim Brandenburger Verein zur Erhaltung und Rekultivierung von Nutzpflanzen (Vern e.V.) absolvierte sie ein ehrenamtliches Praktikum und engagiert sich seitdem vor allem für die Vielfalt von Kulturpflanzen. Gemeinsam mit anderen Mitgliedern der Transition Trier Initiative organisiert sie den Pflanzentauschmarkt am 1. Mai in der Tufa. red

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