Güterzug in der guten Stube

TRIER. Ein Güterzug donnert in voller Fahrt durchs Wohnzimmer - dieser Eindruck entsteht im Haus von Magdalena und Siegfried Jeanplong in Kürenz. Nur fünf Meter trennen ihr Anwesen von einer Montagehalle der Wipa-Glas GmbH. Seit Jahren kämpfen die Jeanplongs um Ruhe, bisher scheiterten sie in allen Instanzen. Jetzt ziehen sie wieder vor Gericht.

"Ich kann es wirklich nicht mehr ertragen", sagt Magdalena Jeanplong. "Von Lebensqualität kann keine Rede mehr sein." Der Lärm aus der Wipa-Glas-Halle schallt ungefiltert durch die Wohnräume des Hauses, in dem sie mit ihrem Mann auch ein Sanitär- und Heizungsbauunternehmen führt. Der donnernde Güterzug ist in der Realität eine in der Montagehalle eingesetzte Krananlage, dazu kommen Hammer-, Bohr-, Schneide- und Flexgeräusche.Weder Ruhestörer noch Rechtsbrecher

Dennoch waren bisher alle Beschwerden beim Bauaufsichtsamt und auch alle gerichtlichen Schritte vergebens (der TV berichtete). Denn die Wipa-Glas GmbH ist weder Ruhestörer noch Rechtsbrecher, auch wenn es in ihrer Halle laut zugeht - so argumentierten die Richter bisher. Die Nellstraße in Kürenz, Heimat der beiden streitenden Parteien, liegt nicht in einem Wohn-, sondern in einem Mischgebiet. Diese dienen laut Baugesetzbuch "dem Wohnen und der Unterbringung von Gewerbebetrieben, die das Wohnen nicht wesentlich stören". Anlagen wie die Kranbahn der Wipa-Glas GmbH sind nur dann unzulässig, "wenn von ihnen Störungen oder Belästigungen ausgehen, die (...) unzumutbar sind". Familie Jeanplong will trotz zahlreicher Niederlagen nicht aufgeben, ihr Rechtsanwalt Christian Kruchten hat beim Verwaltungsgericht Trier eine neue Klage eingereicht. Diese richtet sich nicht gegen die Wipa-Glas GmbH, sondern gegen die Stadt Trier, die der Firma Auflagen erteilen soll. Kruchten erläutert: "Die Wipa-Glas GmbH soll verpflichtet werden, schädliche Umwelteinwirkungen, die nach dem Stand der Technik vermeidbar sind, ganz abzustellen." Wenn Produktionslärm nicht vermieden werden kann, soll er auf ein Mindestmaß beschränkt werden. Vermeidbar nach dem Stand der Technik - hier sieht Kruchten den zentralen Angriffspunkt. "Innerhalb eines zivilrechtlichen Verfahrens zwischen Familie Jeanplong und der Wipa-Glas GmbH hat ein Gutachter festgestellt, dass die Konstruktion der Halle und der Kranbahn eben nicht dem Stand der Technik entspricht." Das Rechtsanwaltsbüro Cremer, Arend und Hött hat beantragt, die Klage abzuweisen. "Die Klägerin hat in der Vergangenheit bereits in zahllosen Verfahren versucht, die Geschäftstätigkeit der Wipa-Glas GmbH einzuschränken, indem sie ihr Ruhebedürfnis zu Lasten des Gewerbebetriebs in den Vordergrund stellte", heißt es im Klageabweisungsantrag. Die Wipa-Glas GmbH verfüge über "sämtliche erforderlichen Genehmigungen, um den Geschäftsbetrieb in der in Rede stehenden Form auszuüben". Und von diesem Geschäftsbetrieb gehen keine schädlichen Umwelteinwirkungen aus, "weder für die Klägerin noch für Dritte".

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