Gut behütet mit der Welt verbunden

Trier · Seit dem Einbau des Testprogramms Susi TD, hat sich das Leben von Elisabeth Schleimer grundlegend verändert. Sie ist nicht mehr alleine. Das Programm, bestehend aus Dienstleistung und Technik soll Senioren die Chance geben, so lange es geht in ihren eigenen vier Wänden zu leben.

 Per Computer mit der Außenwelt verbunden: Elisabeth Schleimer telefoniert per Susi TD. So kann sie mit allen Teilnehmern des Projektes Videotelefonate führen.TV-Foto: Friedemann Vetter

Per Computer mit der Außenwelt verbunden: Elisabeth Schleimer telefoniert per Susi TD. So kann sie mit allen Teilnehmern des Projektes Videotelefonate führen.TV-Foto: Friedemann Vetter

Trier. Sie ist unscheinbar, nur selten zu sehen. Nur ab und an geht Elisabeth Schleimer vor die Tür. Sieht man sie, kommt einem ein kleines, freundliches Lächeln entgegen. Sie freut sich über jeden Plausch.
Seit drei Jahren lebt Schleimer alleine in ihrer Wohnung. Mit ihren 72 Jahren ist sie auf Zack. Sie häkelt rund um die Uhr, schreibt E-Mails auf ihrem Laptop und schaut sich Videos zum aktuellen Tagesgeschehen an. Sie geht mit der Zeit, nutzt jeden Tag und gibt Häkelkurse in einer Altenresidenz.Jede Bewegung ist anstrengend


Ihre Hände sind noch flink. Doch Beine und Rücken spielen nicht mehr mit. Nur noch kurze Wege sind möglich, hier und da ein Einkauf, fünf Minuten Plausch im Stehen. Ihr ständiger Begleiter: der Rollator. Jede Bewegung ist anstrengend. Jede Stufe ein Hindernis. Nicht von Vorteil, wenn man alleine lebt.
So hat sich die Seniorin entschlossen, an dem Projekt Susi TD teilzunehmen. Ein Angebot aus Technik und Dienstleistung für ältere Menschen, um so lange wie möglich selbstständig in ihrer Wohnung zu leben. Es ist ein Test für zwei Jahre, jetzt läuft er aus. 2012 haben Techniker 20 Sensoren in Schleimers Wohnung angebracht und einen modernen Kleincomputer installiert. Die weißen Bewegungsmelder kleben am Kleiderschrank, an Türen und in der Küche. Sie blinken, aber Schleimer stört das nicht. Sie beobachten ihr Verhalten, merken, wenn sie sich weniger bewegt, und informieren unter bestimmten Voraussetzungen die Notfallzentrale. Mit dem Monitor können alle Teilnehmer des Forschungsprojekts untereinander E-Mails schreiben und Videotelefonate führen. "Das werde ich am meisten vermissen", sagt Schleimer.
In ihrem Häkelsessel sitzend, drückt sie auf den Namen Gisela Tokarski, die ebenfalls alleine lebt. "Moment gerade, ich muss das Bügeleisen ausschalten", tönt es durch die Leitung. Auf dem Bildschirm sieht Elisabeth Schleimer wie ihre Gesprächspartnerin aufsteht. "Ich bin gerade bei meiner Lieblingsbeschäftigung", sagt sie ironisch. Mit ihren 75 Jahren bügelt sie, um etwas zur Rente dazu zu verdienen.
"Bei dir sieht es nach Arbeit aus", kommentiert Schleimer. "Schau dir lieber mal mein neues Deckchen an." Schleimer streckt ein beigefarbenes Tuch in Richtung Kamera. "Sehr schön", antwortet Tokarski. Kurz darauf sieht man die alte Frau nur noch als Standbild. Es erscheint: "Aufgrund eines Problems empfangen sie kein Videobild von ihrem Gesprächsteilnehmer." Das Bild steht. Sympathisch schaut die 75-Jährige in die Kamera. Sie trägt ihr Headset auf ihrem lockigen Kopf, im Hintergrund das Bügelbrett und ein gemütliches Wohnzimmer. "Es tut mir wirklich leid, dass das Programm bald zu Ende ist. Ich hab mich sicherer gefühlt", ertönt die Stimme Tokarskis in Elisabeth Schleimers Wohnzimmer.
Noch in den Kinderschuhen



Das Programm Susi TD wird noch bis Ende September 2014 getestet. Danach kommt alles weg. Techniker bauen den Monitor und die Sensoren ab. Kein Videobild, kein Notrufsignal. "Schon komisch", meint Tokarski. Auch wenn das Programm nicht immer fehlerfrei lief: "Mehrmals kam nachts ein Fehlalarm. Der Bildschirm wurde rot. Ich dachte, mein Wohnzimmer brennt", erzählt die Rentnerin. Obwohl das Programm noch in den Kinderschuhen steckt, meint Tokarski, würde sie das Programm kaufen, wenn es bezahlbar auf den Markt käme. Schleimer amüsiert sich über das Standbild: "Du bist immer noch steif, Gisela." Es schallt zurück: "Ich hab\' heute wohl nicht genug gebügelt." Die beiden Frauen kennen sich schon aus der Kindheit. Beide kamen aus der gleichen Pfarrei. Seit der Grundschule haben sie sich nicht mehr gesehen. Susi hat sie wieder zusammengeführt. "Manchmal rede ich einen ganzen Tag nichts, können sie sich das vorstellen?", fragt Schleimer. "Ich habe wieder Kontakte geknüpft. Das war das Schönste an dem Projekt", sagt die 72-Jährige. Tokarski stimmt ihr zu: "Ich werde auch am meisten die Unterhaltung vermissen. Die Gesprächspartner." Durch die Kamera könne sie besser sehen, wenn es anderen schlecht gehe. "Du warst eine der Ersten, bei denen es installiert wurde. Du konntest es am längsten auskosten", sagt Schleimer. "Habt ihr einen Moment Geduld? Meine Bügelwäsche wird abgeholt", schallt es über das Standbild. Währenddessen spricht Schleimer über ihre Kindheit, die Dörfer und dass sie Frau Tokarski immer mit ihren Zöpfen links und rechts in Erinnerung behalten habe. "So, meine Wäsche bin ich los", unterbricht Tokarski. "Und ich muss jetzt mal eine Runde um den Weiher spazieren", sagt sie, verabschiedet sich und drückt auf "Anruf beenden."
Extra

Susi TD ist ein Landesleitprojekt im Rahmen der Initiative Gesundheitswirtschaft Rheinland-Pfalz des Sozial- und Wirtschaftsministeriums. Beteiligte Forschungseinrichtungen sind das Frauenhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering und für Techno- und Wirtschaftsmathematik (Kaiserslautern), die Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät der Universität Köln und das Deutsche Institut für angewandte Pflegeforschung (Köln). Vor Ort helfen unter anderem die Pflegestützpunkte Trier und Landkreis Trier-Saarburg. Der Name Susi TD steht für "Sicherheit und Unterstützung von Senioren durch Integration von Technik und Dienstleistung." Gemeinsam mit 20 Senioren von 72 bis 92 Jahren ist Susi seit 2012 in Trier und der Verbandsgemeinde Konz für den Lebensalltag erprobt worden. Zu dem Projekt gehört ein Berater, der den Senioren regelmäßig für Fragen zur Seite steht, ein einfach zu bedienender Computer und Sensorentechnik, die ermöglichen soll, Notfälle zu erkennen. sjs

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