Gute Chancen auf Versetzung

Mit Spannung blicken viele auf die ersten Erfahrungen am einzigen G8-Gymnasium der Region. Das FSG in Trier-Ehrang schleust gerade den ersten Jahrgang durch die verkürzte Mittelstufe. Fazit von Eltern, Schülern und Lehrern zum Halbjahreszeugnis: Vor der neuen Schulform muss niemand Angst haben.

Trier. Wenn sich Hermann Bous ein Wort aussuchen dürfte, das sofort aus der Öffentlichkeit verschwinden soll, müsste er wahrscheinlich nicht lange nachdenken. "Ich kann das mit dem ,Turbo-Abitur' nicht mehr hören", sagt der Direktor des Friedrich-Spee-Gymnasiums. Der Begriff stammt aus Zeiten, als deutsche Bildungspolitiker stolz darauf waren, die Zeit bis zum Abi von 13 auf zwölf Jahre zu verkürzen. Überhastet wurde, oft sogar flächendeckend, "G8" eingeführt. Das Resultat: überforderte Schüler, saure Eltern und frustrierte Lehrer.

Das Image, den gleichen Stoff mit mehr Druck in kürzerer Zeit in die Schülerköpfe zu zwängen, ist die Reform-Schule seither nicht losgeworden. Auch in Rheinland-Pfalz nicht, wo man - eher vorsichtig - zunächst nur 17 G8-Gymnasien eingerichtet hat und viel Energie darauf verwendet, die Lehrpläne zu entrümpeln. Das FSG muss mächtig kämpfen. Der G8-Status "kostet uns derzeit mehr Schüler als er bringt", sagt G8-Organisatorin Elisabeth Muß.

Seit 2008 ist das FSG dabei, aber Erfahrungen mit der neuen Form gibt es erst jetzt. Das liegt daran, dass in den Klassen 5 und 6 auch G8-Gymnasien eine "normale" Orientierungsstufe haben. Erst ab der 7. wird es spannend: Dann soll die Schule als Ganztagseinrichtung innerhalb von drei Jahren die Schüler zur mittleren Reife bringen - wofür das Traditionsgymnasium vier Jahre hat.

Nach der Ganztagsschule ist tatsächlich frei



Die ersten Siebener-Klassen am FSG bekommen in zwei Wochen ihre Halbjahreszeugnisse - Gelegenheit für die Schule, eine Zwischenbilanz zu ziehen. Und die fällt positiv aus. "Wir können Schüler mit ganz unterschiedlichen Fähigkeiten individuell fördern", sagt Elisabeth Muß. Die durchgestaltete Ganztagsschule von 8 bis 16 Uhr (Freitags bis 13 Uhr) erlaube neue Lern- und Lehrformen. Es sei in Zusammenarbeit mit dem Ministerium gelungen, Überflüssiges aus den Lehrplänen zu tilgen. "Wir haben uns gefragt: Was braucht der Mensch tatsächlich?", skizziert Direktor Bous die Vorgehensweise. Zudem gebe es "so gut wie keinen Unterrichtsausfall".

Erstaunlich: Schüler und Eltern sehen das ähnlich. "Man hat nicht das Gefühl, überfordert zu sein", sagen etwa Maren Nick und Christoph Lindig aus der 7b. Beide sind nicht als "Überflieger" ans FSG gekommen, sondern aus eher pragmatischen Gründen. Jetzt fühlen sie sich wohl: "Viel Platz und große Räume", lobt Maren, "tolle Sportmöglichkeiten und eine gute Bibliothek", findet Christoph. Nur das Essen in der Mensa könne besser sein.

"Positiv überrascht" zeigt sich auch Elternsprecherin Beate-Ruth Mies, die selbst eine Tochter in der 7. Klasse hat. Die Schule engagiere sich sehr für das neue Modell, die Eltern würden einbezogen. Besonderen Leistungsdruck kann sie nicht ausmachen. Und das sei nicht nur ein persönlicher Eindruck: Die Zufriedenheit ziehe sich, so Mies, "durch die gesamte Elternschaft". Was sich auch an etlichen Anmeldungen jüngerer Geschwisterkinder zeigt.

Einen zentralen Kritikpunkt an vielen G8-Schulen kann Direktor Bous für seine Schule sogar statistisch widerlegen: Auf die FSG-Schüler kommen nach der Ganztagsschule keine großen Hausaufgaben mehr zu. Zwischen zehn und 20 Minuten, so ergab eine Umfrage, fallen im Schnitt zu Hause noch als Lernzeit an. Davon träumen "Normal-Schüler" nur.

Meinung

Ohne Vorurteil hinschauen

Der Bereich Schule ist mit vielen Vorurteilen behaftet. Lange zurückliegende eigene Erfahrungen, Hörensagen, Gerüchte, Emotionen: All das bestimmt das Image, und Letzteres bestimmt wiederum oft die Schulwahl. Eltern sind gut beraten, genauer hinzuschauen und in Ruhe zu prüfen, was das Beste für ihr Kind ist. Klischees sind dabei kein geeigneter Ratgeber. G8 als Startbahn für Überflieger, IGS als Refugium für Spätzünder: Das kann in der Praxis genau umgekehrt sein. Was zählt, ist nicht das theoretische Modell, sondern die Realität im konkreten Schulalltag. Und es sind die individuellen Bedürfnisse jedes einzelnen Kindes. Wenn demnächst in vielen Familien die Entscheidung über eine weiterführende Schule ansteht, sollten sie sich Zeit lassen. Schnuppertage besuchen. Mit anderen Eltern reden. Erkundigungen einziehen. Nichts von vorneherein ausschließen. Immerhin geht es um eine ganze Menge. d.lintz@volksfreund.deHintergrund G8: Weil Schüler in den meisten europäischen Ländern nach zwölf Jahren das Abi in der Tasche haben, verständigte man sich in Deutschland auf eine Verkürzung der Gymnasialzeit von neun auf acht Jahre - wie in der Ex-DDR. Wegen der Länderhoheit ist die Umsetzung unterschiedlich. In Rheinland-Pfalz wurde das Regel-Gymnasium um ein halbes Jahr verkürzt, G8-Gymnasien gibt es nur vereinzelt. In anderen Ländern hatten Eltern und Schüler massiv protestiert, weil die Schulzeit, nicht aber das Lernpensum reduziert worden war.Extra Für Samstag, 15. Januar, lädt das Spee-Gymnasium von 9.30 bis 14 Uhr zu einem Tag der offenen Tür ein. Neben einem umfassenden Einblick in Unterricht, Arbeitskreise und Kurse gibt es ein musikalisch-sportlich-künstlerisches Unterhaltungsprogramm. Über die offizielle Information in Sachen G8 hinaus, bietet der Schulelternbeirat Gespräche mit interessierten Eltern im kleinen Kreis an. Komplettes Programm und Informationen: www.fsg-trier.de (DiL)

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort