Guten_Morgen_1608_lars

Frauen sind wunderbar anders: Es gibt kaum einen Ort, an dem sich jener bezaubernde Vorsprung an intuitiver Orientierung in unübersichtlichen Situationen und an nachhaltiger Wertschätzung für kleine, nein, winzigste Unterschiede jenseits von Preisen so sehr zeigt wie im Drogeriemarkt.

Ich verweile dort vor allem deshalb viel zu lange, weil ich die Sortierung der Ware nicht verstehe, erfolglos durch die Regale irre, am Schluss zwischen all den bunten Flaschen und Dosen nicht weiß, was ich nehmen soll, und mich dann für irgend etwas entscheide, bevor das Personal anfängt, sich lustig zu machen. Meine Freundin hingegen nutzt die gleiche Zeit zum Probieren und Vergleichen, wirkt kompetent und wählt am Ende sorgfältig aus. Am Samstag jedoch endete der Zauber des von farbiger Verpackung umstellten Weibs mitten in einem dieser Märkte vor jenen besonders bunten Wänden, an denen Lippenstifte, Nagellacke, Eyeliner und Wimperntusche feil geboten werden. Ausgerechnet bei Mascara - zu deutsch: Wimperntusche - schlich sich ein Ausdruck ins Gesicht meiner Freundin, der wohl dem glich, den ich in solchen Märkten immer habe. Und nicht nur in ihr Gesicht: Ernüchtert merkte ich, dass noch drei weitere Frauen starren Blicks Fläschchen mit wenig erhellenden Namen wie Hyper-Telescopic, Mega-Boost oder Super-Long-Push aufschraubten, sich mit schwarzer Flüssigkeit benetzte Kunststoff-Bürstchen unterschiedlicher Krümmung oder Mini-Kämme anschauten, wieder weglegten und sichtbar rätselten, was das soll. Mascara macht uns alle gleich, dachte ich und ließ mich zu einem Ratschlag hinreißen: "Nimm doch den Billigsten!" So weit reichte dann die Gleichheit aber nicht. Denn augenblicklich kehrte der kompetente Blick zurück und meine Freundin nahm - ich vermute wahllos, aber gezielt wirkend - ein Fläschchen aus einer ganz anderen Ecke - mit Mini-Kamm. Beim Kauf einer Haarspülung wurde glücklicher Weise wieder weibliche Kompetenz dokumentiert, und meine Bewunderung kehrte zurück.