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Wer sich von seiner seit pubertären Jugendtagen stets stolz getragenen Gesichts-Haartracht trennt, dem stehen spannende Erkenntnisse ins Haus. Die erste entsteht beim morgendlichen Blick in den Spiegel, der noch nach Wochen konstant zu einem gelinden Erschrecken über den Fremden führt, der einem da entgegenstarrt.

Die partielle Nacktheit, die nun in Gefilden herrscht, die stets züchtig von Haaren bedeckt waren, ist gewöhnungsbedürftig, wenn man sie seit 35 Jahren nicht mehr erblicken durfte.

Höchst unterhaltsam die Reaktion der Kollegen: Von "Irgendwas bei dir ist anders, aber ich weiß nicht was" bis "Hattest du nicht sonst immer ein Toupet?" reicht das Spektrum, das freilich auch Menschen umfasst, die einen nach zwölf Jahren der gemeinsamen Tätigkeit verblüfft fragen: "Wie, du hattest einen Bart?". Der Rest ist Geschmackssache: "Mindestens zehn Jahre jünger", schätzen die Wohlmeinenden, "du könntest dein Vater sein", lautet die wenig ermutigende Analyse der Skeptiker.

Seine Töchter zu befragen, kann man nur Hartgesottenen empfehlen. "Dein Doppelkinn hat sich verdoppelt", heißt es kurz und schmerzhaft, aber offenkundig ehrlich. "Soll ich dir mal sagen, Papa, was meine Freundin gesagt hat?" Danke, ich verzichte vorsorglich.

Dabei war die ganze Geschichte eigentlich nur als temporäre Nebenerscheinung einer Maskerade im Sitzungs-Karneval gedacht. Aber irgendwie hat es sich festgesetzt, trotz der unglaublichen Lästigkeit, die eine Tätigkeit wie das Rasieren entfaltet. Das hat mit meiner Frau zu tun. "Um Gottes willen", lautete ihre erste Reaktion. "Mal sehen", hieß es nach zwei Wochen. "Man könnte es eigentlich auch so lassen" war ihre Meinung, als nach der letzten Kappensitzung die Frage der Wieder-Aufforstung anstand. "Jedenfalls bis zum nächsten Urlaub." Bis dahin bleibt der Bart erstmal ab.

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