Handwerk mit Herz

TRIER. Ofen aus: Mit der Bäckerei Müller schloss jetzt einer der letzten selbst backenden Betriebe Triers. Nach fast 40 Jahren in der Weberbach und der erfolglosen Suche nach einem Nachfolger traten Inge und Harald Müller nun in den Ruhestand.

"Hier läuft die Ware nicht vom Band. Hier schafft man noch mit Herz und Hand", verheißt das hölzerne Schild über dem Brotregal. Handwerk mit Herz - fast vier Jahrzehnte lang haben das die Müllers in der Weberbach vorgelebt. 1967 eröffnete das damals noch junge Ehepaar nahe der Stadtbibliothek seine Bäckerei und begründete damit einen Familienbetrieb, wie es ihn in Trier kaum noch gibt. Seit vergangenem Samstag, 14 Uhr, ist die Stadt nun um einen weiteren der ohnehin wenigen selbst backenden Betriebe ärmer geworden. Wäre es nach den Inhabern gegangen, hätte es nicht so weit kommen müssen. Schließlich hatten Inge und Harald Müller rund zwei Jahre nach einem geeigneten Nachfolger Ausschau gehalten. Ladenlokal samt Backstube wollten sie an einen jungen Existenzgründer verkaufen. Doch es fand sich niemand, der das Unternehmen übernehmen wollte. "Zum Schluss hätten wir fast alles verschenkt", schildert Inge Müller die verzweifelten Bemühungen. Dabei wäre geschenkt noch fast zu teuer gewesen, weiß auch die Bäckersfrau, die sich über Auflagen und Vorschriften der Gewerbeaufsicht ärgert. Zwar funktionierten die Maschinen bis zuletzt einwandfrei, doch genügten sie nicht mehr den gesetzlichen Anforderungen. Was jahrzehntelang seinen Dienst tat, wurde zwischenzeitlich verboten. Ein Beispiel: Arbeitstische aus Holz müssen heute mit Plastik überzogen sein. Dass sich kein Nachfolger für den gut laufenden Betrieb fand, schmerzt Inge Müller, doch am letzten Tag überwogen Wehmut und Dankbarkeit. "Wir haben hier um die Wette geheult", beschreibt die rastlose Bäckersfrau die Abschiedszenen im Ladenlokal mit dem 70er Jahre-Interieur. Mit vielen Kunden verbanden die Müllers denn auch mehr als nur eine Geschäftsbeziehung. "Mit den Jahren wurde man ja fast schon ein Teil der Familien, bekam Kummer und Freude der Kunden hautnah mit", berichtet Inge Müller. Am Samstag nun sei sie von Geschenken überhäuft worden, erzählt die 65-Jährige gerührt. Blumen, Sekt, Wein und selbst bemalte Einkaufstaschen hätten Stammkunden zum Abschied gebracht. Damit honorierten sie eine ebenso einfache wie immer seltener anzutreffende Geschäftsphilosophie, die für Inge Müller Priorität hatte: "Freundlichkeit kostet nichts."

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