Harte Storys für schwere Jungs

Trier · Als Autorenduo "Geschwister Schlagtot" lasen Eva Lirot und Sönke Brandschwert Auszüge aus ihren Krimis dort, wo diese oftmals enden: hinter Gittern, im Trie rer Knast.

 Auch in einem Gefängnis, in dem man höchstens 21 Monate einsitzt, freut man sich über Abwechslung wie eine Lesung des Autorenduos „Geschwister Schlagtot“. TV-Foto: Frank Göbel

Auch in einem Gefängnis, in dem man höchstens 21 Monate einsitzt, freut man sich über Abwechslung wie eine Lesung des Autorenduos „Geschwister Schlagtot“. TV-Foto: Frank Göbel

Trier. "Haben Sie ein Handy dabei?", fragt der Justizvollzugsbeamte an der Pforte der Trierer JVA, wo das Autorenduo "Geschwister Schlagtot" eine Lesung abhält. Mit einem "Nein" ist der Mann aber noch nicht ganz zufrieden.
Behutsam durchsucht er die Tasche - wo demnächst Elektrozahnbürsten mit dem Internet verbunden sind, könnte sich schon heute hinter jedem unscheinbaren Gerät ein Kommunikationswerkzeug verbergen. Nachdem der Mann überzeugt ist, dass der Volksfreund sowohl Handy als auch Schusswaffen ordnungsgemäß zu Hause gelassen hat, führt er in den grauen Kasten an der Gottbillstraße, der innen genauso wenig einladend aussieht wie außen. Mehrfach geht es durch Schleusen mit Türen, die sich nur öffnen, wenn die Bilder der allgegenwärtig installierten Kameras einem irgendwo anders sitzenden Beamten Grund dazu geben. Dann durch Amtsflure, gegen die das Büro von Derrick geradezu fetzig zu nennen wäre. Gemälde von Raubtieren hängen zwischen grau-grünen Türen. Dann öffnet sich der Raum wieder in die verhältnismäßige Weite der Aula, die immerhin einen gewissen Retro-Charme verströmt. Das helle Deckenlicht wird durch eine auffällige Holzkonstruktion diffus gemacht. Auf grauem Linoleum stehen einige Stuhlreihen, etwa zwei Dutzend Männer warten bereits auf den Anfang der Veranstaltung: Sie sind einheitlich weinrot gekleidet, die meisten haben kurze Haare.
Gesichter, denen man nichts anderes als schwere Körperverletzung zutraut, wechseln mit solchen, denen man nur raffinierten, aber gescheiterten Betrug zugesteht. Doch Fassade täuscht ja nur allzu gern, vielleicht ist jeweils das Gegenteil wahr.
Vor dem ebenfalls roten Vorhang der Bühne haben sich die Autoren Eva Lirot und Sönke Brandschwert postiert, die aus einigen ihrer Kriminalgeschichten vorlesen wollen. Ein paar Witzeleien sollen Lockerheit anzeigen, aber man merkt: Die machen das auch erst zum zweiten Mal. Doch die Gefangenen folgen der Lesung weitgehend aufmerksam - wenigstens in der Aula sind sie ja schließlich freiwillig, und so gibt es anerkennenden Applaus für die erste Geschichte. Ein Mord bleibt ungesühnt, weil der Täter für ein wasserdichtes Alibi gesorgt hat - welches er seinem Opfer vorher noch genüsslich erläutert: dem eigenen, tyrannischen Vater.
Einer etwas wirren Mystery-Story um eine sprechende Puppe lässt sich zwar nur schwer folgen, doch immerhin sorgt Brandschwert durch berherzten Stimmeinsatz für einige Lacher.
Nach einem Quiz, dass so einfach ist, dass die meisten Gefangenen ausgiebig Zeit haben, die auf den Teilnahmekarten abgebildeten Autoren künstlerisch zu verzieren, und einer Pause, in der das anwesende Wachpersonal dafür sorgt, dass die umhergereichten Süßigkeiten wenigstens einigermaßen fair aufgeteilt werden, verschenken die beiden Autoren noch einige ihrer Werke an die Anstaltsbücherei.
Ein Angestellter bestätigt später, dass die etwa 130 Gefangenen, obwohl sie sich von 30 Fernsehkanälen berieseln lassen könnten, durchaus viel lesen - und Krimis sehr beliebt seien.

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