Fernseh-Kritik „Hartz und herzlich“: Was hat die erste Folge vom Stadtteil Trier-West gezeigt?

Trier · Es sieht düster aus in Trier-West. Daran lässt RTL2 wenig Zweifel aufkommen. Was man wirklich zu sehen bekommt, wenn „Hartz und herzlich“ aus Trier im Fernsehen läuft, war am Dienstag zu sehen.

 Nadine ist mit ihrem Verlobten Raimund und Sohn Elias (4) bei „Hartz und herzlich“ in Trier-West dabei.

Nadine ist mit ihrem Verlobten Raimund und Sohn Elias (4) bei „Hartz und herzlich“ in Trier-West dabei.

Foto: RTLZWEI, UFA SHOW & FACTUAL/RTLZWEI

Eine umstrittene Sendung des Privatsenders RTL2 hat in Trier gedreht. Bei „Hartz und herzlich“ geht es laut Aussagen des Senders um „Einblicke in das Leben und die bewegenden Schicksalsgeschichten der Bewohner“. Warum man dafür in Trier-West zu Gast ist, erklärt der Sender auch: Hier leben viele Menschen am Rande des Existenzminimums. Das macht die Menschen für RTL2 interessant, denn man möchte bei „Hartz und herzlich“ Personen in genau dieser Situation zeigen.

Der Ortsbeirat von Trier-West hat bereits vor der ersten Folge dazu geraten, die Sendung zu ignorieren. „Schaltet den Fernseher aus und schaut euch an, was wirklich bei uns los ist“, lautet der Appell. Die einseitige Darstellung ganzer Stadtteile hat bereits in verschiedenen Städten für Unmut gesorgt.

Wer sind die Protagonisten bei „Hartz und herzlich“ aus Trier-West?

Bei „Hartz und herzlich“ geht es vor allem um die Personen, die das Kamerateam durch den Alltag begleitet. Sie alle stecken in schwierigen Lebenssituationen. Zumindest finanziell ist die Lage bei allen Teilnehmern aus Trier-West angespannt. Die erste Folge lief am Dienstag (5. Juli) auf RTL2. Es folgen noch zwei weitere Episoden von dort.

Drei Generationen einer Familie leben im selben Haus, wenn auch nicht in derselben Wohnung. Hannelore und Ralf sind verheiratet und seit über 30 Jahren auf staatliche Unterstützung angewiesen. Ihre Tochter Nadine lebt hier gemeinsam mit ihrem Sohn Elias und ihrem Verlobten Raimund unter einem Dach. Elias leidet an einer unheilbaren Stoffwechselerkrankung, die in der Sendung thematisiert wird. Außerdem begleitet „Hartz und herzlich“ die Verlobten bei ihrer Hochzeit.

Weniger Grund zum Feiern gibt es bei Sush, der von Hartz IV lebt. Der ehemalige Taxifahrer hat seinen Führerschein wegen Drogen am Steuer verloren. Er lebt extrem sparsam, auch weil er seinen Führerschein wieder zurück will. Unter anderem bezahlt er die dafür notwendigen Drogentests aus eigener Tasche.

Sush ist befreundet mit Valeska, die ebenfalls arbeitslos ist. Ihre zwei Kinder leben die meiste Zeit über in einer Jugendeinrichtung. Sie beschreibt, was viele Leute über ihren Stadtteil denken: “Du bist aus Trier-West, dem Land der fliegenden Messer.“

Sascha und sein Ehemann Mike wollen raus aus Hartz IV. Mike ist unzufrieden, weil es nicht klappen will. Sascha erhält aber die Perspektive für einen Schulabschluss und eine folgende Ausbildung.

Nina und Bernd haben eine Wohngemeinschaft und haben massive Geldsorgen. Bernd verheimlicht nicht, dass er schon lange Alkoholiker ist. Für seine Einkäufe beim Kiosk muss er anschreiben lassen. Es ist unklar, wie er demnächst seine Schulden abbezahlen will. Der Zuschauer erfährt aber auch, dass es noch wesentlich ernstere finanzielle Forderungen gibt.

Was erfährt man bei „Hartz und herzlich“ über Trier-West?

Natürlich leben die Teilnehmer der Sendung alle in enger Nachbarschaft zueinander. Sehr schnell stellt RTL2 auch klar, wie man sich die Situation vorstellen soll. „Die 2000 Jahre alte ehemalige Römerstadt hat auch ihre Schattenseiten“, heißt es gleich zu Anfang. Gemeint ist mit der Schattenseite natürlich Trier-West. Man erfährt, dass die Arbeitslosenquote hier deutlich über dem Bundesdurchschnitt liegt. Viele Menschen haben die Hoffnung verloren, noch einmal eine Anstellung zu finden, behauptet der Sender. Wie man in die Köpfe so vieler Menschen geguckt hat, wird nicht verraten.

Wer mehr über den Stadtteil wissen wollte, um den sich die Sendung angeblich dreht, wartet danach vergeblich auf interessante Details. „Hartz und herzlich“ zeigt den Alltag von Menschen, die tatsächlich ernste Probleme haben. Und das Gefühl, das man dem Zuschauer vermittelt, ist ziemlich eindeutig: So wie man es hier sieht, ist das halt in Trier-West. Natürlich geht es nicht um ein Vorzeige-Quartier, in dem alles rund läuft. Es gibt handfeste Probleme in der Gegend. Aber ob es wohl jemandem hilft, wenn nach der Sendung noch mehr Menschen denken, dass man hier um sein Leben fürchten muss? Daran darf man zweifeln.

Bemerkenswert ist, dass die West-Bewohner sogar vor der Kamera sagen, wie schön es ist, in Trier zu wohnen. Bemerkenswert ist, dass man auf den Straßen nicht das sprichwörtliche Messer fliegen sieht. Bemerkenswert ist, wie die Protagonisten mit der angeblichen Hoffnungslosigkeit umgehen. Sie holen ihren Schulabschluss nach, wollen weiterhin einen neuen Job finden oder kämpfen um den Führerschein für ihre Berufstätigkeit. Bemerkenswert ist, welche Meinung RTL2 über einen ganzen Stadtteil verbreitet, ohne dem Zuschauer überhaupt etwas von dem Ort zu zeigen.

Die Probleme der „Hartz und herzlich“-Protagonisten sind ernst. Das kann niemand bestreiten. Sie erzählen etwas darüber, wie schwer das Leben in Deutschland am unteren Ende sein kann. Ob das alles etwas über den Stadtteil aussagt, in dem die Menschen leben, kann der unbedarfte Zuschauer aber nur raten. Denn über Trier-West erfährt man dabei eigentlich nichts.

Wann läuft „Hartz und herzlich“ auf RTL2?

Wer die Sendung einschalten möchte, kann am nächsten Dienstag (12. Juli) um 20.15 Uhr die nächste Folge sehen. Für Abonnenten von RTL+ ist die jeweils nächste Episode bereits vorab online verfügbar.

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