Fernseh-Kritik „Hartz und herzlich“ in Trier-West: Zuschauer fragen sich, warum das Kamerateam nicht eingreift

Meinung | Trier · Die zweite Folge „Hartz und herzlich“ aus Trier-West hatte alles, worüber man sich als Zuschauer aufregen könnte. Es wäre aber viel zu einfach, den Unmut nur auf die Personen zu richten, die im Fernsehen gezeigt werden.

 Die Zuschauer ärgerten sich teils über eine Szene, die auch Nadine und ihren Sohn bei „Hartz und herzlich“ zeigte.

Die Zuschauer ärgerten sich teils über eine Szene, die auch Nadine und ihren Sohn bei „Hartz und herzlich“ zeigte.

Foto: obs/RTLZWEI

Schon die erste Folge ließ viele ortskundige Zuschauer mit einigen Fragezeichen zurück. In der zweiten Folge „Hartz und herzlich“ aus Trier-West tun sich weitere Abgründe auf. Wenn es nach den Machern bei RTL2 geht, sind es wohl eher die Abgründe im Leben der bedürftigen Trierer, die interessant sind. Die Zuschauer bemerken aber auch, dass auf der anderen Seite der Kamera etwas nicht stimmen kann.

Was ist los bei „Hartz und herzlich“ in Trier-West?

Insgesamt war in der zweiten Folge spürbar, dass es wesentlich krawalliger werden sollte als noch eine Woche zuvor. Mehr Streit, mehr lautstarkes Meckern und mehr Verzweiflung - das war gefühlt der Kern der Storys aus Trier-West. Und dann durften die Hartz-IV-Empfänger auch noch ein paar hundert Euro in die Kamera halten, die sie gerade zu Monatsbeginn vom Konto abgehoben hatten. Für viele Menschen fühlt sich das nach einer Provokation an, wie Kommentare in den sozialen Netzwerken zeigen. Das weiß ganz sicher auch RTL2.

Beim Fernsehen kann sich eine Sendung manchmal deutlich ändern, wenn die Einschaltquoten zunächst nicht gut genug waren. Doch diese Entschuldigung fällt aus, obwohl man bei RTL2 bessere Zahlen gewöhnt ist als beim Start in Trier-West.

Die erste Folge war gerade im Fernsehen gelaufen, da stand die zweite Folge auch schon im Online-Stream bereit. Niemand konnte einen Blick auf die Zahlen werfen und danach widerwillig die Entscheidung treffen, dass die nächste Episode doch noch komplett anders werden muss. Die Eskalation war offenbar schon längst geplant.

Ernste Fragen an den Sender RTL2

Ein Detail fiel dabei manchen Zuschauern besonders ins Auge. Nach der Ausstrahlung am Dienstagabend zeigten sie sich auf Facebook sehr verwundert und sogar besorgt. Dabei ging es nicht einmal um die Handlung, die RTL2 in den Vordergrund gerückt hat.

Stein des Anstoßes sind Ausschnitte der zweiten Folge, die auf der Facebook-Seite von „Hartz und herzlich“ zu sehen sind. Es geht um einen Familienausflug im Auto. Gerade wird dabei eine Tankstelle in Luxemburg angesteuert. Mit im Auto sind Nadine, ihr Vater Ralf und der vierjährige Sohn Elias. Da fällt den Menschen auf Facebook etwas auf: Dass die Erwachsenen unbeschwert an der Kippe ziehen, während das Kind mit im Auto sitzt.

Ich könnte das gar nicht filmen, wenn so ein kleines Würmchen vollgequalmt wird. Fühlt ihr nichts dabei?“, fragt eine Userin. Sie ist nicht alleine mit ihren Sorgen. „Könnt ihr der Familie bitte sagen, dass das nicht gut ist? Ich weiß, dass die Dreharbeiten schon vorbei sind, aber das Rauchen geht ja weiter in deren Leben und vielleicht machen sie sich ja Gedanken und hören damit auf“, meint eine andere. Unabhängig von dieser Szene beschweren sich noch weitere Facebook-Nutzer darüber, dass Kinder in die Sendung mit hinein gezogen werden. Eine Antwort bekommen sie zunächst nicht.

Worüber man sich bei „Hartz und herzlich“ wundern muss

Es steht durchaus die Frage im Raum, ob bei den Dreharbeiten niemand etwas für das Wohl von Kindern unternimmt. Wer sich die ganze Sendung aus Trier-West angesehen hat, dürfte aber noch mehr Fragen an das Produktionsteam haben.

Nehmen wir ein anderes Beispiel, über das sich Zuschauer aufregen können. Sascha hat gerade erst die Chance bekommen, durch eine Maßnahme des Jobcenters seinen Hauptschulabschluss nachzuholen und danach eine Ausbildung anzufangen. Dumm nur, dass es Anfang des Monats ist. Da kommt das Hartz-IV-Geld und das bedeutet für Sascha und seinen Ehemann, dass man gleich morgens ganz groß einkaufen muss. Und zwar so groß, dass man dafür auf jeden Fall zwei Personen braucht.

Warum das so ist? Das weiß niemand. Für Sascha steht aber fest, dass er bei der Maßnahme anruft und die Nachricht hinterlässt, er werde wegen der Einkäufe ein paar Stunden später kommen. Ohne ins Detail zu gehen, kann sich jeder vorstellen, dass das keine gute Idee ist. Aber RTL2 kann wenigstens zeigen, wie die Sache ordentlich eskaliert. Denn Sascha vergreift sich bei einem weiteren Telefonat auch noch komplett im Ton und versteht überhaupt nicht, wo das Problem liegt.

Sind da beim Kamerateam keine Leute dabei, die ihm sagen, er kann nicht einkaufen gehen, weil es jetzt um seine Ausbildung geht? Sitzen im Schnitt keine Leute, die darüber nachdenken, ob man das alles auch anders zeigen könnte, um Saschas Zukunft weniger zu belasten? Und ist dort wirklich niemand, der in letzter Instanz über die Ausstrahlung der Sendung entscheidet und doch noch Skrupel bekommt?

Was war da denn los in Trier-West?

Wer sich „Hartz und herzlich“ ansieht, kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Wie muss man sich denn eigentlich die Szene vorstellen, wenn Valeska nach der Arbeit im Club nachts vor der Kamera steht und plötzlich von einem Betrunkenen belästigt wird? Steht das Kamerateam da wirklich eine Weile direkt daneben und wartet ab, während der Typ sie betatscht? Genau so sieht es aus auf den Bildern, die RTL2 selbst in die Welt schickt. Obwohl man natürlich daran zweifeln darf, ob die Bilder bei „Hartz und herzlich“ die ganze Wahrheit erzählen - ob nun in Trier-West oder anderswo in Deutschland.

Es ist richtig, bei dieser Sendung einmal an die Kinder zu denken. Es wäre auch schön, wenn sich die Zuschauer zusätzlich über die anderen Menschen bei „Hartz und herzlich“ Gedanken machen. Denn sie alle haben offenbar etwas gemeinsam: Beim Sender RTL2 kümmert man sich zu wenig darum, was aus den Protagonisten der eigenen Sendung wird.

Dieser Artikel wurde am 14.07.2022 veröffentlicht.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort