Serien-Kritik „Bloßstellung, Inszenierung und Falschaussagen": Reaktionen auf RTL2-Sendung "Hartz und herzlich" in Trier-West

Trier · Mit überdurchschnittlichen Einschaltquoten feiert RTL2 den Start der „Hartz und herzlich“ Folgen in Trier-West/Pallien. Ehrenamtliche warnen vor Hetze gegen die gezeigten Trierer. Zerstört die Serie jahrelange Arbeit im Stadtteil?

 Nadine und ihr kranker Sohn Elias (4) sind Teil der RTL2 Serie „Hartz und Herzlich“.

Nadine und ihr kranker Sohn Elias (4) sind Teil der RTL2 Serie „Hartz und Herzlich“.

Foto: RTLZWEI, UFA SHOW & FACTUAL/RTLZWEI

Wenn man dem Bild folgt, dass die Sendung „Hartz und herzlich“ von Trier-West und Pallien zeichnet, bekommt man es mit der Angst zu tun. Familien im Chaos, Alkoholprobleme und chronische Arbeitslosigkeit. Wer durch die Serie einen Ersteindruck vom Westufer gewinnen will, dem wird ein Stadtteil außer Kontrolle präsentiert. Damit füttert RTL2 das über Jahre, teils als Scherz, teils ernst gemeinte Vorurteil, dass Trier-West ein „Land der fliegenden Messer“ sei. Eine fatale Botschaft für den Stadtteil und seine Bewohner, sagt der Runde Tisch Trier-West/Pallien.

Stadtteilnetzwerk Trier-West/Pallien zeigt sich besorgt

Als eines der Stadtteilnetzwerke Triers setzt sich der Runde Tisch seit Jahrzehnten für eine Verbesserung der Lebensqualität in den Stadtteilen Trier-West und Pallien ein. Die Mitglieder sehen mit Sorge zu, wie Ihr geliebter Stadtteil zur Unterhaltung durch den Dreck gezogen wird.

„Dieses Unterhaltungsformat ist ausschließlich darauf ausgelegt, die vermeintlich negativen Lebensverhältnisse der Menschen zu portraitieren, stellt die wirkliche Lebenssituation in den Quartieren falsch dar und bereichert sich an der Stigmatisierung“, heißt es in einem offenen Brief des Netzwerks. „Bloßstellung, Inszenierung und Falschaussagen prägen dieses Fernseh-Format und die Zuschauerinnen und Zuschauer werden dazu eingeladen, Vorurteile gegenüber den Stadtteilen aufzubauen.“

In Trier-West und Pallien seien bereits viele positive Entwicklungen erkennbar, die den westlichen Teil Triers zu einem liebenswerten, bunten und von Vielfalt geprägten Lebensort machen, so das Netzwerk. „Wir sehen unsere jahrelange positive Stadteilarbeit durch die Ausstrahlung einer solchen Sendung stark gefährdet.“

Hohe Einschaltquoten für „Hartz und herzlich“ auf RTL2

Während das Netzwerk dazu rät, den Fernseher abzuschalten, feiert RTL2 beste Einschaltquoten mit der ersten Folge zu Trier-West und Pallien. Über 7 Prozent der 14-29 Jährigen Fernsehzuschauer in Deutschland haben am Dienstagabend „Hartz und herzlich“ gesehen. Im Netz lassen sich nur wenige positive Kommentare zu Trier-West finden:

„Schon in der ersten Sendung präsentieren die sich so, dass man schon genug hat. Mannheim und Rostock waren bisher gute Sendungen, aber das hier ist unterste Schublade“, kommentiert eine Zuschauerin auf Facebook unter einem Post zur Folge. „Geil! Assi TV vom Feinsten“, heißt es in einem anderen Kommentar.

Im Gegensatz dazu finden einige Trierer im Netz deutliche Worte zur Herabwürdigung ihrer Heimat: „Nein, ich hab gestern nicht RTL2 geguckt. Ich saß mit meinen Leuten aufm Viehmarkt und genoss die Sonne bei ein paar kühlen Steinkrügen“, erklärt ein Trierer dort entschieden. “Ich bin auf der Seite der Menschen, die wirklich keine andere Wahl haben.“

Bewohner von Trier-West/Pallien als Zielscheibe

Neben dem Stadtteil werden aber vor allem die Protagonisten der Folge in ein schlechtes Licht gerückt. Der Runde Tisch Trier-West/Pallien warnt vor Anfeindungen, die die in der Serie gezeigten Familien treffen könnten. „Die Protagonisten und Protagonistinnen werden in den nächsten Wochen einer öffentlichen Hetze ausgeliefert sein, welche für sie jetzt noch nicht absehbar ist. Der Runde Tisch Trier-West/Pallien setzt sich daher für die Menschen und deren Familien ein, die in der Sendung vorgeführt und bloßgestellt werden.“

Auch am nächsten Dienstag wird eine weitere Folge „Hartz und herzlich“ bei RTL2 über den Bildschirm flimmern. Für den Runden Tisch Trier-West steht fest: „Diesem voyeuristischen Format sollte man keine Beachtung schenken.“

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