Hausbesitzerin mit Mut zum Risiko

Sie liebt "alte Sachen", weil sie "immer eine Geschichte haben". Als Gudrun Meyer vor 28 Jahren ein altes Bauernhaus in Wasserliesch gekauft hat, ahnte sie allerdings noch nicht, welche historischen Schätze und Geschichten dahinter zum Vorschein kommen würden.

Graach/Wasserliesch. "Es war Liebe auf den ersten Blick", sagt Gudrun Meyer über das Eckhaus mit dem zitronengelben Anstrich, das seit 28 Jahren der ganze Stolz der 55-Jährigen ist. Damals, 1982, hatte die gebürtige Graacherin (Landkreis Bernkastel-Wittlich) beschlossen, ihrer Wohngemeinschaft den Rücken zu kehren und sich nach eigenen vier Wänden umzuschauen. In Wasserliesch entdeckte sie das ehemalige Bauernhaus mit angebauter Scheune. Schon nach der ersten Besichtigung war Meyer klar: "Ich wollte dieses Haus und sonst nichts."

Dass sich vor rund 100 Jahren eine kaiserliche Poststelle in dem Gebäude befand, entdeckte Gudrun Meyer per Zufall. Beim Einsturz einer Decke kam eine Kiste mit alten Fotos des Hauses zum Vorschein, die auch ein Türschild mit der Aufschrift "kaiserliche Postagentur" zeigen. Gefunden hat die leidenschaftliche Sammlerin, die in ihrer Freizeit Miniaturmodelle bastelt, noch viel mehr: alte Hemden, Mund geblasene Weinflaschen und original historische "Klickerflaschen", deren Hals durch eine Glaskugel verschlossen wird.

Das genaue Alter ihres Heims kann Gudrun Meyer nur schätzen, über einer Kellertür hat sie jedoch die Jahreszahl 1771 entdeckt. An die frühere Nutzung als Poststelle erinnern heute noch zwei zugemauerte Schalterfenster im Flur und das Bild einer Postfiliale an der Außenfassade.

Durch das Hausinnere führt eine schmale, steile Holztreppe, überall gibt es kleine Winkel und Nischen. Den Mittelpunkt bildet ein alter Backofen, dessen gewaltige Ausmaße sich an den schrägen Zimmerwänden abzeichnen. Alles charmante Überbleibsel des alten Bauernhauses, in die sich Gudrun Meyer schon beim ersten Anblick verliebt hat. Auch von den Original-Türen wollte sich die Hausherrin nicht trennen: "Das alles gehört einfach hierher."

Als sie 1982 mit der Renovierung begann, erinnert sich Meyer, hätten ihre Nachbarn nur den Kopf geschüttelt: "Die dachten: Was will eine allein stehende Frau mit so einer Ruine?" Die Arbeit im Schichtdienst ermöglichte es der Sozialpädagogin jedoch, die "Ruine" Stück für Stück in ein wohnliches Zweifamilienhaus zu verwandeln. Böden und Decken wurden erneuert, neue Strom- und Wasserleitungen verlegt. Bis 1995, berichtet Meyer, habe sie nur mit Öfen geheizt: "Im ersten Jahr sind mir alle Blumen erfroren."

Einen Großteil der Renovierarbeiten hat Meyer selbst erledigt, mit tatkräftiger Unterstützung ihrer Eltern und Kegel-Freundinnen. "Wer hierher kam wusste, dass er irgendwo anpacken muss." Probleme bereiteten ihr "die extrem feuchten Wände". Als die 55-Jährige dann auch noch kurzzeitig arbeitslos wurde und ein Sturm ihre Scheune verwüstete, bekam sie Zweifel, "ob ich das alles schaffe?". Ihre Entscheidung habe sie dennoch "nie bereut". Denn eins weiß Gudrun Meyer ganz sicher: "Wer ein so altes Haus kauft, braucht Mut zur Lücke und zum Risiko."

Verliebt in alte Steine: Lieber Leserin, lieber Leser, gerne wollen wir Sie in weitere Wohnhäuser entführen, die außergewöhnlich alt und gut erhalten sind. Wir wollen Ihnen Menschen vorstellen, die in oft jahrelanger Arbeit ein historisches Gemäuer renovieren und über Freud und Leid des Altbau-Wohnens sprechen. Leben Sie vielleicht selbst in einem alten, schönen, möglicherweise denkmalgeschützten Haus und haben Lust, uns über Ihre Motivation zu dieser Wohnweise zu erzählen? Dann mailen Sie uns ein paar Stichworte mit Name und Telefonnummer an mosel@volksfreund.de (gerne auch Bilder), und wir nehmen Kontakt mit Ihnen auf. (red) Was ist das Beste an meinem Haus? Gudrun Meyer, Eigentümerin der ehemaligen kaiserlichen Postagentur in Wasserliesch bei Konz: "Mich fasziniert die lange Geschichte dieses Hauses, die einem jeden Tag aufs Neue begegnet. Es ist absolut einzigartig, von außen wie von innen. Manches ist zwar krumm und buckelig, aber so ein Haus gibt es kein zweites Mal, und ich spüre, dass es hundertprozentig zu mir passt." (cweb)

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