Haushalt: Anonyme Vorschläge im Brennpunkt

Trier · Komplett anonyme Sparvorschläge wird es im Bürgerhaushalt 2012 der Stadt Trier nicht geben. Ob die Teilnehmer ihren Namen künftig nicht nur intern, sondern öffentlich bekanntgeben müssen, will der Rat erst später entscheiden.

Trier. Die aktuelle Vorlage im Steuerungsausschuss des Stadtrats zum Bürgerhaushalt schien nur eine Formalie zu sein. Doch aus einer Wortmeldung von Jürgen Plunien (CDU) entwickelte sich eine Generaldebatte: "Anonyme Vorschläge begrüßen wir nicht. Wir sollten darauf umsteigen, die Namen zu nennen."
Bisher können sich Bürger für ihre Vorschläge über die Internet-Plattform beliebige Fantasie-Namen geben, sofern sie sich offiziell registrieren lassen (siehe Extra). Darüber hinaus wollte die Verwaltung sogar erstmals komplett anonyme Vorschläge als "geschützte Form" zulassen. "Dies betrifft auch Mitarbeitende der Verwaltung", heißt es in der Vorlage.
Dezernentin ist entsetzt


Oberbürgermeister Klaus Jensen plädierte für den Namensschutz. Bürger könnten sonst Sparvorschläge zu Einrichtungen, in denen sie selber arbeiten, unterlassen. "Wer in einem Abhängigkeitssystem steht, kann sich damit Feinde machen", bekräftigte Sozialdezernentin Angelika Birk (Grüne). Auch Petra Kewes (Grüne) plädierte dafür, solche Befürchtungen ernst zu nehmen.
Rainer Lehnart (SPD) sprach sich hingegen für das Prinzip "offenes Visier" aus. Sein Fraktionschef Sven Teuber pflichtete dem bei: "Es sollte generell gelten, seinen Standpunkt zu vertreten."
Baudezernentin Simone Kaes-Torchiani (CDU) äußerte sich "betroffen und entsetzt" über die Befürchtung, die Verwaltung könne Mitarbeiter für konstruktive Kritik bestrafen: "Ich würde mich freuen, wenn etwa aus anderen Dezernaten ein Verbesserungsvorschlag zu etwas käme, das wir nicht entdeckt haben."
Toni Loosen-Bach, Online-Moderator des Bürgerhaushalts, äußerte Bedenken gegen eine kurzfristige Umstellung. 1400 schon registrierte Nutzer müssten sich erst ausdrücklich damit einverstanden erklären, dass ihr echter Name für alle zu sehen ist.
"Wir sollten das Verfahren nicht gefährden", meinte Hermann Kleber (FWG). Der Ausschuss einigte sich darauf, aktuell nur die geplante Komplett-Anonymität zu streichen. Die Entscheidung über das Verfahren für den Haushalt 2013 fällt später.Meinung

Kultur der freien Meinung fördern
Wir leben nicht in einem diktatorischen Überwachungsstaat, sondern in einer Demokratie mit Grundrechten. Dazu gehört selbstverständlich die freie Meinungsäußerung. Gerade der Bürgerhaushalt der Stadt Trier ist dazu da, um Bürger über ihr periodisches Wahlrecht hinaus direkt einzubinden. Dieses System von vorneherein auf Anonymität auszurichten, ist das falsche Signal. Jeder Beitrag, der nicht gerade eine Beleidigung oder Ähnliches enthält, ist ausdrücklich willkommen. Der Grundgedanke von Offenheit und Toleranz kommt in dieser Form der Bürgerbeteiligung beispielhaft zum Ausdruck. Zu dieser zentralen Botschaft passt besser ein System, bei dem sich die Teilnehmer nicht hinter Pseudonymen verstecken. Zu seiner Meinung zu stehen, ist manchmal nicht einfach. Aber auch das gehört zur Demokratie. Deshalb tut der Ausschuss gut daran, in Richtung Transparenz durch Namensnennung zu tendieren. Wer im Einzelfall meint, unbedingt anonym bleiben zu müssen, wird Mittel und Wege finden, seine Hinweise an die richtigen Stellen zu bringen. m.hormes@volksfreund.de Für den Haushalt 2010 der Stadt Trier konnten Bürger erstmals über ein umfassendes Beteiligungssystem Vorschläge machen und Bewertungen abgeben. Am Donnerstag, 1. September, startet die dritte Runde mit Ideen für den Bürgerhaushalt 2012. Wer Tipps geben will, wo Trier sparen oder seine Einnahmen erhöhen kann, meldet sich auf der Internet-Seite www.buergerhaushalt-trier.de an. Kompletter Name und Anschrift sind dabei Pflichtangaben, aber nur für die Verwaltung einsehbar. Der für alle im Internet sichtbare Nutzername kann ein Fantasie-Titel wie "blümchen99" sein. Die Verwaltung prüft die bestbewerteten Vorschläge und legt sie Rat und Ortsbeiräten vor. cus

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