Helmut Schmidt hat höchste Ehre verdient

Nach dem Zweiten Weltkrieg trat der Volkswirt Helmut Schmidt der SPD bei, um eine freie Gesellschaft aufzubauen. 1953 zog er in den Bundestag ein, dann wurde er Hamburger Innensenator. Es folgten die Posten des Verteidigungs- und Finanzministers, dann des Bundeskanzlers.

Das Schicksal wollte, dass seine Amtszeiten in Krisensituationen fielen; er meisterte sie mit Bravour: Die Hamburger Flutkatastrophe, die Reform der Bundeswehr, die Konsolidierung des Staatshaushaltes und als Kanzler die Überwindung zweier Wirtschaftskrisen und des RAF-Terrorismus. Schmidt sorgte dafür, dass die Wirtschaftsweltmacht Deutschland nicht länger ein politischer Zwergstaat blieb: Mit Leonid Breschnew und Jimmy Carter verhandelte er stets auf Augenhöhe. Man hat ihm nachgesagt, er habe vom Schicksal keine Gelegenheit bekommen, die seinen Fähigkeiten entsprach. Das stimmt nicht. Wer in den Krisen der 70er und frühen 80er den Tanker Deutschland durch schweres Fahrwasser lotste, hat mehr als einmal gezeigt, welches staatsmännische Format er besitzt. Zum Verhängnis wurde Helmut Schmidt sein Verhältnis zur eigenen Partei. Seinen Sozialismus habe er im Offizierskasino der Wehrmacht gelernt, spottete nicht nur Herbert Wehner. Vom linken Flügel der SPD wurde er 1982 im Stich gelassen, die FDP wechselte die Fronten. In seiner letzten Ausgabe vor dem Sturz am 1. Oktober 1982 titelte der "Spiegel": "Der Lotse geht von Bord". Er knüpfte an eine Satire an, die einen anderen Hanseaten 100 Jahre zuvor zeigte: Im Deutschland des 20. Jahrhunderts geschah es nicht oft, dass der Realitätssinn Bismarcks mit jenem anderer Politiker verglichen wurde. Gestützt auf eine Verantwortungsethik, die der gläubige Christ vor allem dem Soziologen Weber und dem Philosophen Popper abgewann, fragte er nicht nach Zuständigkeiten, sondern handelte, wenn die Not es gebot. Dies über Jahrzehnte hinweg erfolgreich getan zu haben in einem überregulierten und an Handlungsunfähigkeit erkrankten Gemeinwesen ist das Höchste, was einem Staatsmann zugesprochen werden kann. Andreas Etteldorf, Trier

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