"Hier darf auch geweint werden"

SCHWEICH/TRIER. Im Schulzentrum Schweich und in der Keune-Grundschule Trier bietet der Kinderschutzbund eine offene Beratungssprechstunde für Kinder und Jugendliche an. Das Beispiel könnte Schule machen.

Wenn sich Clarissa Schmithüsen auf den Weg zu ihrem Arbeitsplatz in der Schule macht, hat sie Arbeitsutensilien dabei, die auf den ersten Blick ungewöhnlich wirken: Eine Kerze und Duftöl, Steine und eine Feder, Blümchen, Spielfiguren, eine Uhr - und eine Packung Taschentücher. Die Dinge - im Beratungsraum auf einem Tisch dekoriert - sollen bewusst einen Abstand zur Klassenzimmeratmosphäre bilden. Daneben symbolisieren sie Schwere und Leichtigkeit der Probleme - oder sind nützlich. Hilfe und Beratung vor Ort

"Hier darf auch geweint werden", sagt Schmithüsen lächelnd mit Blick auf die Taschentücher. Seit Ende letzten Jahres bietet die Diplomsozialarbeiterin und -pädagogin die offene Sprechstunde für Kinder und Jugendliche in der Trierer Keune-Grundschule und in der Haupt- und Realschule in Schweich an. Dahinter steckt der Gedanke, mit Kindern und Jugendlichen Präventionsarbeit innerhalb deren Umfelds zu machen. Denn die Schülerinnen und Schüler sollen im Idealfall von sich aus Hilfe und Unterstützung annehmen - was im Fall der offenen Sprechstunde mit Clarissa Schmithüsen ganz offenbar funktioniert. Hauptschulrektor Karl-Heinz Feye zieht eine durchweg positive Bilanz: "Die Kinder brauchen nicht den Weg nach Trier auf sich zu nehmen, hier finden sie vertrauensvoll und anonym Hilfe." Durch persönliche Kontakte wurde mit den derzeit beteiligten Schulen das Konzept abgestimmt. Es folgten eine breit angelegte Information aller Beteiligten und eine großzügige Plakatierung in der Schule, um auf das Beratungsangebot aufmerksam zu machen. Schmithüsen stellte sich in jeder einzelnen Klasse vor, klärte Sinn und Zweck der Sprechstunde. Als es dann zum ersten Mal soweit war, "hatte ich schon Herzklopfen, wie die Kinder mich annehmen", räumt die 53-Jährige ein. Immer mittwochs vergibt sie morgens feste Beratungszeiten für den gleichen Vormittag - den Schülern ist für die Sprechstunde das Verlassen des Unterrichts erlaubt. Mittlerweile hat sie in Schweich 43 Heranwachsende jeweils eine halbe Stunde an neun Vormittagen beraten. "Ein hohe Zahl", bestätigt Realschulleiter Eberhard Blind, der wie sein Kollegen die Unterstützung von Schmithüsen schätzt.Familiäre und schulische Probleme

Hauptsächlich mit familiären Problemen kämen die Kinder in die Sprechstunde, die 14-tägig angeboten wird. Trennungssituationen, Geschwisterstreit, Tod und Krankheit seien die Hauptsorgen. Auch mit Fragen zu Freundschaft, Pubertät, Cliquenkonflikten oder schulischen Problemen werde Schmithüsen konfrontiert. Die Beratung sei anstrengend. In nur einer halben Stunde müsse das Problem eingekreist und verstanden, Vertrauen aufgebaut und Wege aufgezeigt werden. Hilfreich sei es daher, dass die Beratungssuchenden ruhig auch mit Begleitung - den "Unterstützern" - zu ihr kommen dürfen. Die dann, so hat Schmithüsen erfreut festgestellt, zu einem späteren Zeitpunkt selbst in die Beratung kämen - in jüngster Zeit auch Jungen, die sich bislang noch zurück hielten.

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