Hindenburg soll ganz verschwinden

Trier · Fünf Jahre nach der Umbenennung des Hindenburg-Gymnasiums ins Humboldt-Gymnasium präsentiert die Fraktion der Grünen am Dienstag im Stadtrat den Antrag, auch der Hindenburgstraße einen neuen Namen zu geben. Der Name des Reichspräsidenten Paul von Hindenburg sei "für Trier als demokratische und weltoffene Stadt unangemessen".

Trier. Die Grünen begründen ihren Antrag mit gleich zwei historischen Ereignissen. "Vor 80 Jahren, am 30. Januar 1933, hat der damalige Reichspräsident Paul von Hindenburg Adolf Hitler zum Reichskanzler ernannt", schreibt Reiner Marz in der Stadtratsvorlage. Und: "Nur wenige Wochen später unterzeichnete Hindenburg die Verordnung zum Schutz von Volk und Staat, mit der die Grundrechte der Weimarer Republik teilweise außer Kraft gesetzt und der Rechtsstaat faktisch aufgelöst wurden."
Wie ein Déjà-Vu für den Rat


Diese beiden Daten zeigen nach Ansicht der Grünen, dass Paul von Hindenburg "nicht Namensgeber einer wichtigen innerstädtischen Straße sein kann. Er steht für den undemokratischen, ja demokratiefeindlichen Teil der deutschen Geschichte." Deshalb solle der Rat eine Umbenennung anstreben und außerdem "eine öffentliche Auseinandersetzung mit der Rolle der Stadt Trier in der jüngeren deutschen Geschichte begrüßen".
Die Verwaltung soll diesbezügliche Projekte von Schulen, Verbänden und der Uni "im Rahmen ihrer Möglichkeiten" unterstützen.
All das hat Trier schon einmal erlebt. Die Verwandlung des Hindenburg-Gymnasiums ins Humboldt-Gymnasium Trier dauerte Monate und war eines der heißesten politischen Themen des Jahres 2008. Aktuelle und ehemalige Schüler, Lehrer, Eltern und historisch Interessierte diskutierten monatelang, ob ein Wechsel des Namens einer Bildungsstätte eine notwendige Anpassung an den Lauf der Zeit oder eine unnötige Verdrängung und Negierung der Vergangenheit bedeutet. Die CDU Trier hatte damals die Debatte um den Namenspaten initiiert.
Schließlich standen alle Beschlüsse: Aus dem Hindenburg-Gymnasium wurde das Humboldt-Gymnasium Trier. Im April 2009 enthüllte Oberbürgermeister Klaus Jensen zusammen mit einer Schülerin die neue Namenstafel. Paul von Hindenburg war weg, die Brüder Alexander und Wilhelm von Humboldt prägen seitdem den Namen des HGT.
Die Hindenburgstraße kam bei alldem keineswegs ungeschoren davon. Als der Stadtrat die CDU-Initiative um den neuen Namen für die Schule im März 2008 auf der Tagesordnung hatte, stellte die SPD den Antrag, auch die Hindenburgstraße umzubenennen. Dieser fand keine Mehrheit. Die CDU musste begründen, warum sie mit dem Hindenburg-Gymnasium ein Problem hat, mit der Hindenburgstraße aber nicht.
Dorothee Bohr stellte sich damals dem Problem mit diesen Worten: "Der verständliche Wunsch der Schule nach einem der Ausrichtung entsprechenden und einen Vorbildcharakter tragenden Namen ist keine generelle Absage an eine funktionierende politische Erinnerungskultur."
Ob und inwieweit eine solche Erinnerungskultur heute noch politisch erwünscht ist, wird die Stadtratssitzung am Dienstag (17 Uhr im großen Sitzungssaal am Augustinerhof) zeigen. Erste Vorbeben gibt es bereits. Die Junge Union stellt sich gegen den Antrag der Grünen. "Hindenburg ist Bestandteil unserer deutschen Geschichte, und eine nach ihm benannte Straße sehe ich auch als Stolperstein, der eine kritische Auseinandersetzung ermöglicht", meldet Michael Felix Fischer, Vorsitzender des JU-Stadtbezirksverbands Trier-Mitte.
Diese Wortwahl erzürnt die Grünen. "Die Stolpersteine sind seit Jahren eine bundesweit bekannte Aktion zur Erinnerung an die Opfer des Nationalsozialismus", kontert Vorstandssprecherin Sarah Jakobs. "Dass die Junge Union Trier hier die Opfer mit einem der Steigbügelhalter der Täter gleichsetzt, ist nicht nur geschmacklos, sondern beweist, dass sie von Verantwortung und angemessenem Gedenken an unsere Vergangenheit wenig verstanden hat."Meinung

Unfreiwillig komisch
Im Jahr 2008 hat die Stadt Trier Paul von Hindenburg als Namenspaten eines ihrer Gymnasien gefeuert und an seiner Stelle die Humboldt-Brüder "engagiert". Das Thema ist durch, erledigt, abgehakt. Alle Diskussionen um die Rolle des Reichspräsidenten in der deutschen Geschichte und seine Eignung als Namensgeber einer Schule der Gegenwart wurden damals geführt, ausgewertet, noch mal angefacht und schließlich nach Monaten mit einem konkreten Beschluss beendet. Der aktuelle Antrag der Grünen, fünf Jahre später auch die Hindenburgstraße neu zu taufen, ist ein geradezu unfreiwillig komisches Manöver, auf einen Zug aufzuspringen, der nicht nur bereits abgefahren, sondern schon längst an seiner Endstation angekommen ist. Die Stadt Trier stellt ihren politischen Kräften wahrhaftig wichtigere Aufgaben als die Suche nach angeblich demokratiefeindlichen Straßennamen. j.pistorius@volksfreund.de

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