Hochwasser in Kordel Kordels Kampf gegen die Fluten der Kyll

Kordel · Den 2200-Einwohner-Ort trifft das Unwetter mit voller Wucht: Der Pegel der Kyll steigt deutlich über den Wert der Jahrhunderthochwasser. 200 Häuser werden überflutet. Das Seniorenheim muss evakuiert werden. Es kommt zu dramatischen Szenen.

Kordel kämpft mit den Wassermassen
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Kordel kämpft mit den Wassermassen

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Foto: TV/Marion Maier

Kordel bietet am Donnerstagvormittag einen verheerenden Anblick. Jede Menge Einsatzkräfte sind unterwegs: Feuerwehr, Polizei, DLRG, Rettungskräfte und die Bundeswehr. Ansonsten Wasser überall. 200 Häuser, so schätzt Ortsbürgermeister Medard Roth, sind überflutet. „In einzelnen Häusern steht das Wasser 2,50 Meter hoch“, sagt er. Die Ortsdurchfahrt gleicht in weiten Teilen einem Fluss, Rettungsboote sind darauf unterwegs.

Strom gibt es seit 21 Uhr am Vorabend nicht mehr. Kordel ist auch verkehrstechnisch abgeschnitten: Die Zufahrten sind wegen Hangrutschen oder Überflutungen gesperrt. Die Bundesstraße 422 darf nur noch zum Evakuieren der Bewohner und von den Einsatzkräften genutzt werden. Auch die Gleise in Kordel stehen unter Wasser.

Landrat Günther Schartz, der in der Nacht gegen 23 Uhr die höchste Alarmstufe 5 für den Landkreis ausgerufen hat, ist am Vormittag vor Ort. Er sagt: „Die Lage ist dramatisch. Und sie verschärft sich noch. Hier in Kordel haben wir es geschafft, die Menschen aus dem Seniorenheim zu retten, jetzt müssen wir an der Sauer schauen. Dort müssen wohl 100 bis 1000 Menschen evakuiert werden.“

Das Hochwasser in Kordel ist am Mittwochnachmittag losgegangen, gegen 15 Uhr ist die Feuerwehr alarmiert worden. In der Nacht wurde das Seniorenheim evakuiert. Christian Otto, Pressesprecher der Feuerwehr in der Verbandsgemeinde Trier-Land: „Die 45 Bewohner mussten zum Teil liegend befördert werden.“ Mit Booten haben DLRG und Feuerwehr sich auf den Weg zu ihnen gemacht. Die mussten allerdings großteils geschoben werden, weil der Wasserstand zu niedrig war. Otto stellt fest: „Die Schwierigkeit war die Geschwindigkeit, mit der das Wasser kam. Und dann gab es auch noch mehrere Großeinsatzlagen in der Verbandsgemeinde.“ In Kordel habe es immer mal wieder Überschwemmungen gegeben, aber noch nie so heftige.

Ortsbürgermeister Roth pflichtet ihm bei. Der 71-Jährige, der Jahrzehnte lang im Feuerwehrdienst war, erinnert sich: „Ich war bei drei Jahrhunderthochwassern dabei: 1995, 2003 und 2006. Der höchste Pegelstand war da knapp fünf Meter. Daran wurde der Hochwasserschutz ausgerichtet. Heute ist der Pegel auf mehr als sieben Meter gestiegen und er steigt weiter!“

Landrat Günther Schartz drückt angesichts der Ausnahmesituation aufs Tempo, denn er weiß: Viele der Einsatzkräfte sind seit Mittwochmittag im Einsatz. „Die Leute gehen an ihre Leistungsgrenzen“, sagt er. Dabei wurden Kräfte aus ganz Rheinland-Pfalz zusammengezogen. Doch am Vormittag zeichnet sich bereits ab, dass auch das Krankenhaus in Ehrang evakuiert werden muss. Also versucht Schartz, weitere Unterstützung zu ordern. Da die Sache mit Anforderungen bei der Bundeswehr kompliziert ist, wendet er sich von Kordel aus direkt an die Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer. Diese hat laut Schartz zugesagt, Kontakt mit Mainz aufnehmen, damit Kräfte aus anderen Bundesländern anrücken können.

Unterdessen spielen sich im überfluteten Kordel teils dramatische Szenen ab. Aus dem Gebäude des Seniorenheims, von dem die Rettungskräfte angenommen hatten, dass sich niemand mehr dort aufhält, erreicht die Feuerwehr doch noch der Hilferuf einer Frau. Oliver Berg, Abschnittsleiter der Wehr vor Ort, berichtet: „Die Frau war wohl eine Zeit lang ohnmächtig und hatte nichts mitbekommen von der Evakuierung. Sie wohnt im betreuten Wohnen in einer Wohnung über dem Heim.“ Gegen Mittag haben die Einsatzkräfte sie dort mit dem Boot rausgeholt, das Wasser hat bereits im Erdgeschoss des Heims gestanden. Zwei weitere Menschen sind laut Berg vom Flachdach bei der Apotheke gerettet worden. Gegen 12.30 Uhr sieht der Abschnittsleiter noch jede Menge Arbeit vor sich und seinen Kollegen: Etwa 90 weitere Menschen müssen noch aus Häusern geholt werden, allerdings ist kein Notfall darunter.

 Teile Kordels sind am Donnerstag nur noch mit dem Boot erreichbar. Das hat es seit vielen Jahren nicht mehr gegeben. Auch wegen des Hochwasserschutzes. Doch ist nicht hoch genug gewesen.

Teile Kordels sind am Donnerstag nur noch mit dem Boot erreichbar. Das hat es seit vielen Jahren nicht mehr gegeben. Auch wegen des Hochwasserschutzes. Doch ist nicht hoch genug gewesen.

Foto: TV/Marion Maier
 Hier sind es nur Plastikflaschen, die im Wasser treiben. An anderer Stelle treiben halbe Hauseinrichtungen in den trüben Fluten.

Hier sind es nur Plastikflaschen, die im Wasser treiben. An anderer Stelle treiben halbe Hauseinrichtungen in den trüben Fluten.

Foto: TV/Marion Maier
 Einsatzbesprechung unter freiem Himmel: Beim Großeinsatz in Kordel mit etwa 250 Helfern muss die Zusammenarbeit genau geplant werden.

Einsatzbesprechung unter freiem Himmel: Beim Großeinsatz in Kordel mit etwa 250 Helfern muss die Zusammenarbeit genau geplant werden.

Foto: TV/Marion Maier

Familie Thiel ist ebenfalls kein wirklicher Notfall, dennoch hat sie das Hochwasser hart getroffen. Sie wohnt an der Hauptstraße, gerade dort, wo das Wasser angefangen hat, sich aufzustauen. Josef Thiel sagt: „In unserem Keller steht das Wasser bis zur Decke. Das habe ich in den 53 Jahren, die ich dort wohne, noch nicht erlebt. Sonst stand es dort höchstens ein paar Zentimeter hoch.“ Die Waschmaschine und der Trockner seien wohl hin. Dennoch hat Thiel seinen Humor nicht verloren. Denn schmunzelnd fügt er hinzu: „Was mich am meisten ärgert ist, dass der Motor vom Weber-Grill wohl kaputt ist.“ Aufs Gemüt ist ihm die ganze Situation dennoch geschlagen. Er stellt fest: „Mir ist ganz flau im Magen. Essen kann ich gerade nichts.“ Seine Frau, Andrea Jonas-Thiel, meint: „Ich finde es erschreckend zu sehen, was ohne Strom alles nicht geht.“ Selbst der Toilettengang sei schwierig. Dort fehle das Licht. Die Nachbarn haben mit ähnlichen Problemen zu kämpfen. Dort hat die Tochter gerade ihr Handy im Auto ein wenig aufgeladen, um erreichbar zu sein.

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