Hören, sehen und verstehen

Trier · Mit Gebärden und Worten haben der Gebärdenchor "Salve" und die "Singflut" der Trierer Pfarrei St. Matthias Psalmenlieder und christliche Hymnen in der Kirche Herz Jesu vorgetragen. Das Konzert für Hörende und Gehörlose bekam von den Gästen viel Beifall.

Trier. Psalmenlieder und christliche Hymnen gebärden und sie singen: "Das wollten wir einfach noch mal mit der Gemeinde erleben", sagt Pfarrer Ralf Schmitz ein halbes Jahr nach dem gemeinsamen Abendlob bei der Heilig-Rock-Wallfahrt. Deshalb hat er mit der Gehörlosengemeinde und einem Chor aus hörenden Sängern einen feierlichen Gottesdienst, einen Evensong nach dem Vorbild der anglikanischen Kirche, in der Herz-Jesu-Kirche in Trier-Süd gefeiert. Rund 100 Gäste kamen zu dem speziellen Abendlob.
Ralf Schmitz ist Chorleiter des Gebärdenchors und Pfarrer der Gehörlosengemeinde. Er kann selbst hören, beherrscht aber auch die Gebärdensprache. So koordiniert er Hörende und Gehörlose im Chor: "Die Kunst ist, dass man zwei Sprachen gleichzeitig präsentieren kann. Die eine spricht sie auf dem akustischen Kanal an, die andere auf dem visuellen. Es geht zeitweise übereinander, aber jede hat ihre eigenen Möglichkeiten, und das kommt hier wunderbar zum Ausdruck."
Die beiden Chöre, der Gebärdenchor "Salve" des Bistums Trier und die "Singflut" der Pfarrei St. Matthias, sind es gewohnt, aufeinander zu achten und zusammen aufzutreten. Um die Synchronität zwischen Gesang und Mimik sichtbar zu machen, steht der Hörendenchor während des Gottesdienstes hinter dem Gebärdenchor. Der Lektor, ein Vorleser, achtet auf seine gebärdende Kollegin und passt sich ihrer Geschwindigkeit an.
"Es ist einfach ein gutes Miteinander", sagt Schmitz. "Im Gottesdienst, den wir sonst in der Gehörlosengemeinde feiern, ist es natürlich völlig still." Deshalb sei die Kooperation für beide Gruppen eine besondere Abwechslung. Damit das Ganze richtig koordiniert werden kann, müssen vorher die Liedtexte in die Gebärdensprache übersetzt werden. Das übernimmt Gehörlosenpfarrer Schmitz.
Laut Schmitz ist die Gebärdensprache eine Fremdsprache, die eine andere Wirklichkeit abbildet und im Satzbau anders funktioniert. So wird aus dem Satz: "Dem Herrn gehört die Erde und alles, was lebt", in der Gebärdensprache eine für Hörende kaum nachvollziehbare Wortkette mit Bewegungsanweisung.
Ohne das Wissen um die Bedeutung der Gebärden bleibt der Gemeinde nur der Versuch, die kryptischen Mimiken anhand des Liedblatts zu entschlüsseln: "Welt ist ein Kreis, und Kraft sind geballte Fäuste. Noch ein paar Stunden zugucken, dann könnten wir mitsingen", witzeln Margit Oos und ihre Freundin Gabi Reichelt während des Konzerts. Am Ende erfahren sie noch, wie man für Gehörlose applaudiert: Hände in die Luft und kräftig schütteln.
Der nächste feierliche Gottesdienst in der Pfarrkirche Herz Jesu ist am zweiten Weihnachtstag um 17 Uhr

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