Hoffen auf ein heißes Ende

TRIER. Sonnenstudios, Videotheken und Reisebüros sind "Gewinner" des Sommers. Bleibt das Wetter allerdings die nächsten Wochen so traumhaft, holen die "Verlierer" - Eisdielen, Schwimmbäder, Biergärten - noch auf.

Vorige Woche stand Jan Hettinger noch im dicken Pullover hinter seinem "Mövenpick"-Eiswagen in der Trierer Fußgängerzone. "Ich verkaufe deutlich weniger Eis als im vergangenen Sommer", erzählte er beim Warten auf Kundschaft. Jetzt hat sich das Blatt gewendet: Die Hitze ist da, die Leute haben Lust auf kühles Eis. "Das Verlorene holen wir trotzdem nicht mehr auf", sagt Michael Becker, Inhaber des Eiscafés "Dolomiti" in der Nagelstraße. Etwa 20 Prozent Umsatzeinbußen hat er durch das verregnete Frühjahr und den späten Sommerbeginn hinnehmen müssen. "Aber der Supersommer im vorigen Jahr war auch nicht ideal. Da war es den Leuten zu heiß, um in die Stadt zu fahren." Einen leichten Job hat Petrus also nicht - wie er's macht, macht er's verkehrt. Freibäder gehören ebenfalls zu den bisherigen Verlierern des Sommers: Bis zum 20. Juli - kurz vor Beginn der Hitzewelle - waren erst 63 532 Gäste in die Becken von Nord- und Südbad gesprungen - im Vergleich zu 2003 (181 921) gerade mal ein Drittel. Aber auch gegenüber dem "normalen” Sommer 2002 (102 003) hinken die Zahlen deutlich hinterher.Für die LGS ist der Zug abgefahren

Besonders das Südbad, das an 18 Tagen wegen Regenwetters geschlossen blieb, ist gebeutelt: Gegenüber 54 101 Gästen vor zwei und 113 696 vor einem Jahr sank die Zahl auf 17 867. Das Nordbad hat dagegen zu 2003 ein Minus von "nur" rund 23 000 Besuchern zu verzeichnen. "Wenn das Wetter schön bleibt, können wir noch Ergebnisse wie im Durchschnittsjahr 2002 erreichen”, hofft Schwimmmeister Hans-Jochem Knob. Ein Minus machen in diesem Jahr auch Biergärten. "Schlechtes Wetter gleich weniger Umsatz", sagt Torsten Siggelkow, Inhaber der Gaststätte "Inflagranti" am Viehmarktplatz. Häufig seien die Stühle auf Triers beliebtester Freiterrasse leer geblieben. Zwischen acht und zehn Prozent weniger Umsatz hat Siggelkow bisher gemacht. "Am besten sind trockene Tage bei etwa 25 Grad", wünscht er sich für die nächsten Wochen. Die Wetterlage wirkt sich auch auf die Geldbeutel der Aushilfskräfte aus: Bleibt die Terrasse zu, arbeiten zwei Kellner im "Infla", ist das Wetter gut, tragen insgesamt fünf Aushilfen Viez und Bier an die Außentische. Während Schwimmbäder, Biergärten und Eisdielen ihre Umsatzeinbußen bei beständig schönem Wetter noch ausgleichen können, ist der Zug für die Landesgartenschau abgefahren: Seit Eröffnung im April regnete es an knapp der Hälfte aller Tage. Statt erhoffter 475 000 Besucher kamen bis zur Halbzeit nur 375 000 - ein Defizit, das nicht mehr aufzuholen ist. Aber es gibt auch "Gewinner": "An den kalten Tagen hatten wir deutlich mehr Besucher als im vorigen Sommer", sagt Dorthe Bielhenn vom Sunpoint Sonnenstudio Wolter am Viehmarkt. Viele, die sonst auf "natürlichem" Weg sommerbraun werden, hätten auf die UV-Strahlen aus der Steckdose zurückgegriffen. Strahlen kann auch Michaela Domitrin, Geschäftsführerin des Reisebüros "Fern-W-Reisen" im Alleencenter: "Enorm viele Leute nahmen das schlechte Wetter zum Anlass, kurzfristig in die Sonne zu flüchten", erzählt sie von den vielen Last-Minute-Buchungen. Viele, die beim Schmuddelwetter nicht in die Sonne flüchten konnten, haben eine Alternativen zu "echten" Reisen aus der trüben Realität gesucht: "Schlechtes Wetter ist absolut förderlich für den Video-Verleih", freut sich Jörn van Offern, Inhaber des Video-Centers in der Saarstraße. Die Lust der Daheimgebliebenen auf Fantasiereisen brachte ihm ein Umsatzplus von 20 Prozent. Und jetzt, wo's zu schön ist, um die Abende auf der Couch zu verbringen? "Das schöne Wetter ärgert uns nicht, darauf waren wir ja eigentlich eingestellt", sagt van Offern. "Und der nächste Herbst kommt bestimmt."

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