Hoffnungshäfen in einem Meer aus Müll

TRIER/NAIROBI. Zu einer Ausnahme-Projektstudie - "über den eigenen Tellerrand hinaus" - sind 15 angehende Geographen mit ihrem Professor Michael Nebe kürzlich nach Afrika gereist. Initiative und Lebensmut der Jugendlichen mitten im Elend hat die Studierenden "umgehauen". Jetzt wollen sie von hier aus helfen.

Die Hütten stehen auf meterhohen Dreckhaufen - am Stadtrand von Kenias Hauptstadt Nairobi. Volle Abfalltüten pflastern die Trampelpfade, stapeln sich in gleichmäßigen Schichten, so weit das Auge reicht. Kein fließendes Wasser und kein Strom versorgten die Hütten, die "größtenteils aus Blech bestehen", erzählt Katharina Puch. "Die Beutel sind die Toiletten dieser Menschen."80 Prozent der Bewohner in den Slums haben Aids

Beim Blick auf ihre Fotos verzieht die 25-Jährige unwillkürlich das Gesicht: "Es leben so unglaublich viele Kinder und Jugendlich dort." Zwei Wochen lang sind die Geographiestudentin und ihre Kommilitonen in fünf Gruppen "von morgens sechs bis abends acht" durch verschiedene Slums der Millionenstadt gelaufen - auf der Suche nach dem Geist der Jugend, die eigentlich keine mehr ist. Insgesamt 14 aus Hunderten von Jugendinitiativen haben die Studierenden mit Hilfe der regierungsunabhängigen Deutschen Stiftung Weltbevölkerung (DSW) kennengelernt. Ein Kooperations-Novum mit starkem Praxisbezug. "Die Zusammenarbeit war hervorragend", freut sich Organisator Professor Nebe. Den DSW-Kontaktpersonen sei es gelungen, die Deutschen sicher durch den fremden Wellblechdschungel zu lotsen. "In den Slums haben wir nach Strukturen, Aktionen und Zielen der meist eigeninitiativen Jugendgruppen gefragt, und wir haben teilnehmend beobachtet - also selbst mit angepackt", erklärt Kristina König das Forschungsvorgehen der Studierenden. Geld für die Clubkassen kommt aus so verschiedenen Aktivitäten wie dem Schuheputzen, der Schweinezucht oder der Autovermietung - mit nur einem Wagen im Fundus - sowie einem rudimentären Internetcafé. "Und es wird jede angerostete Schraube noch einmal verkauft", berichtet die Studentin. "Unglaublich lebenslustige Aktionen" vom Theaterstück bis zum Akrobatik- und Sportevent entstünden so im kulturellen Niemandsland - Bollwerke gegen die Verzweiflung. Auf bis zu 80 Prozent schätzten Stadtvorsteher die Aids-Durchseuchung in den Slums. "Wir sind in Schulen gewesen, in denen fast alle Kinder Waisen waren", gut zwei Drittel seien selbst infiziert, erzählt die 25-Jährige: "Für viele sind die Jugendclubs eine Ersatzfamilie". Während es jede Menge Schulungen von Organisationsseite gebe, fehle es den Jugendlichen am Material: "Da wird zwar das entsprechende Know-how vermittelt, aber letztendlich kein Schmelzpott gestellt, um lukratives Plastikrecycling zu betreiben", ärgert sich Studentin Charlotte Wagner. Solche Missstände aufzudecken, ist erklärtes Ziel des Projekts, das im nächsten Semester mit neuem Schwerpunkt weiterlaufen soll.Trierer Sponsoren machen Projekt erst möglich

Auf einem Symposium in Nairobi habe man schon erste Eindrücke an Organisationsvertreter und Sprecher der Jugendgruppen weitergeben können. "Nun steht ein ausführlicher Bericht an, der die Vernetzung der Initiativen fördern soll", erklärt Initiator Nebe. Möglich gemacht habe alles nur die Unterstützung durch die Nikolaus-Koch-Stiftung, den Freundeskreis der Trierer Universität, den Allgemeinen Studierenden-Ausschuss (Asta) und die Fachschaft Geographie, betont der Professor. Die persönliche Erfahrung begeistert Jungforscherin Charlotte Wagner im Blick zurück - und nach vorn: "Wir sind in den Slums auf so riesiges Interesse, Initiative und Hoffnung auf Veränderung gestoßen, dass wir versprochen haben, von hier aus selbst zu helfen." In den kommenden Monaten wollen die Studierenden eine Internetplattform für die Jugendgruppen schaffen. Dort soll die Trierer Studie einsehbar werden: "Vor allem soll das ein Austauschforum für Jugendliche in Nairobi und Gruppen hier vor Ort werden", hoffen die jungen Leute.

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