Hoppla, da ist ein Platz verrutscht!

Trier · Dass ein Straßenschild vor der Tür steht, heißt nicht, dass das Haus dahinter auch in der genannten Straße liegt. Jedenfalls in Sachen Straßenreinigungsgebühren. Das muss ein Anlieger in der Weberbach derzeit lernen - infolge eines auch für die Stadtverwaltung unangenehmen Urteils.

 Diese Ecke gehört nicht zur Weberbach, sagt die Stadt: Anlieger Bernhard Dühr, vor dessen Haustür das Straßenschild „Weberbach" steht, sieht das anders. Der Streit dreht sich um Reinigungsgebühren.TV-Foto: Friedemann Vetter

Diese Ecke gehört nicht zur Weberbach, sagt die Stadt: Anlieger Bernhard Dühr, vor dessen Haustür das Straßenschild „Weberbach" steht, sieht das anders. Der Streit dreht sich um Reinigungsgebühren.TV-Foto: Friedemann Vetter

Trier. Bernhard Dühr versteht die Welt nicht mehr. Er ist Mitbesitzer des Geschäftshauses Ecke Weberbach/Konstantinstraße. Adresse: Weberbach 80. So steht es in allen Unterlagen, die er zum Haus besitzt, das sein Großvater 1922 erwarb - schon damals mit dieser Adresse.
Strittiger Gebührenbescheid


Im April erfuhr Dühr durch ein Schreiben der Stadtverwaltung, dass die Straßenreinigungsgebühr für sein Grundstück erhöht wird, und zwar deutlich. Statt rund 330 Euro soll er künftig rund 760 Euro pro Jahr zahlen, weil das Grundstück nicht wie bisher der Reinigungsklasse 5, sondern der Reinigungsklasse 6 zugeschlagen wird (siehe Artikel unten). Dabei ärgert sich Dühr nicht einmal so sehr über die höhere Summe, sondern über die Begründung der Verwaltung. Sein Grundstück habe zwar vor der Umgestaltung des Platzes an der Weberbach gelegen, heißt es im Gebührenbescheid. Nach dem Zweiten Weltkrieg aber sei der Konstantinplatz weiter Richtung Süden gerutscht. "Trotz dessen, dass auf der Kreuzung Konstantinstraße/Konstantinplatz beziehungsweise Weberbach das Straßenschild der Weberbach aufgestellt wurde, kann man nicht zwangsläufig davon ausgehen, dass die Straße auch genau dort anfängt", schreibt die Stadt an Dühr. Vielmehr müsse man auf die bauliche Abgrenzung zwischen Konstantinplatz und Weberbach abstellen: Der Konstantinplatz sei gepflastert, die Weberbach asphaltiert. Vor seiner Tür ist tatsächlich Pflaster, der Asphalt beginnt erst an der Einmündung Jesuitenstraße. "Was für ein Unsinn", sagt Dühr - und hat Widerspruch eingelegt. Er wundert sich auch darüber, dass die Verwaltung erst 2012 mit dieser Erkenntnis um die Ecke kommt. Neu gestaltet wurde der Basilika-Vorplatz nämlich zur Trierer 2000-Jahr-Feier 1984.
Das sagt die Stadt:


Die Stadtverwaltung will sich auf TV-Anfrage nicht zu dem konkreten Fall äußern, weil es ein laufendes Verfahren vor dem Stadtrechtsausschuss sei, bei dem es noch keine endgültige Entscheidung gegeben habe. Warum der Stadt die Erkenntnis gerade jetzt kommt, kann Baudezernentin Simone Kaes-Torchiani aber erklären. 2004 hat Trier einen Prozess vor dem Oberverwaltungsgericht verloren. Darin ging es darum, wie die Straßenreinigungsgebühren abzurechnen seien. Das Gericht habe es für unzulässig erklärt, mehrere Straßen zu Veranlagungsgebieten zusammenzufassen, stattdessen müsse jede Straße als Einzelnes gesehen werden und jedes Grundstück entsprechend der Zuordnung zur Straße veranlagt werden. "Das ist eine Sisyphosarbeit", sagt Kaes-Torchiani. Und die dauert schon seit Jahren an: Nach und nach wird für jedes einzelne Grundstück überprüft, ob die Straßenreinigungsklassen stimmen. Bei dieser Überprüfung können sich Fehler zugunsten eines Anliegers finden oder zu seinen Ungunsten. So wie möglicherweise im Fall von Bernhard Dühr. "Es geht um das Herstellen von Gebührengerechtigkeit, zu der wir nach dem Urteil verpflichtet sind", sagt Kaes -Torchiani.
Dauerbaustelle fürs Amt


Zeitweise war ein Mitarbeiter mit der Überprüfung der Reinigungsgebühren beschäftigt, der die Gebührenbescheide von etwa 50 Straßen pro Jahr schaffte, derzeit gibt es dafür nur eine halbe Stelle. Insgesamt werden 568 Straßen in Trier gereinigt - entsprechend lang werden die Folgen des Urteils das Amt noch beschäftigen. Und manchmal ist es mit einem neuen Gebührenbescheid nicht getan, so wie im Fall von Bernhard Dühr. Zwar wird die Straße vor seiner Tür tatsächlich zweimal werktags und einmal sonntags gereinigt (Reinigungsklasse 6), in der gültigen Straßenreinigungssatzung wird die Weberbach aber nach wie vor in Reinigungsklasse 5 geführt. Und er ist überzeugt: Weberbach 80 ist Weberbach 80. Deshalb will er sich weiter wehren. Seinen Fall muss nun der Stadtrechtsausschuss klären.Meinung

Ein Problem der Kommunikation
So richtig gut stehen die Chancen für Anlieger Bernhard Dühr bei seinem Widerspruch gegen die erhöhte Straßenreinigungsgebühr vermutlich nicht. Vor seiner Haustür wird halt schon seit Jahren öfter gereinigt, als er abgerechnet bekommt. Das ändert die Stadt nun. Hätte die Verwaltung ihm das in einfachen Worten mitgeteilt statt mit einer ziemlich verschwurbelten Begründung ("Platz verrutscht"), die ein wenig nach wieherndem Amtsschimmel klingt, wäre das Problem vermutlich gar nicht erst entstanden. Der Fall zeigt nebenbei auch, wie schwierig Verwaltungshandeln manchmal ist: Das Amt hat gerade mal eine halbe Stelle, um Tausende von Gebührenbescheiden neu zu berechnen. Bis ein Urteil aus 2004 also umgesetzt wird, dauert es Jahre, womöglich sogar ein Jahrzehnt. Ein Unternehmen, konfrontiert mit einem ähnlichen Problem, würde für eine kurze Phase mehr Mitarbeiter einstellen - und das Thema wäre nach überschaubarer Zeit vom Tisch. m.schmitz@volksfreund.de

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