Musik „Ich habe mich immer sehr geliebt gefühlt“

Trier · Neues Album, neue Tour: Am 31. Mai spielt Niedeckens BAP in der Arena in Trier. Der TV hat ihn interviewt.

 Vom Rheinland in die weite Welt: Wolfgang Niedecken in New Orleans, dort wo das neue Album aufgenommen wurde.

Vom Rheinland in die weite Welt: Wolfgang Niedecken in New Orleans, dort wo das neue Album aufgenommen wurde.

Foto: Wolfgang Niedecken/Privat

Er ist der Frontmann einer der erfolgreichsten deutschen Rockbands: Wolfgang Niedecken tritt am Donnerstag, 31. Mai, ab 20 Uhr mit seiner Band BAP in der Arena Trier auf. Vor dem Konzert sprach der kölsche Kultmusiker mit TV-Mitarbeiterin Katja Bernardy über Helden, sein Familienalbum „Reinrassije Straßenköter“ und schöne Aussichten.

Herr Niedecken, wo sind Sie, während wir telefonieren?

Wolfgang Niedecken: Ich sitze in meinem Arbeitszimmer am Schreibtisch mit Blick auf den
Rhein. Diese Aussicht war vor zwanzig Jahren entscheidend für den Kauf dieses Hauses. Und der Garten. Unsere Töchter sollten draußen spielen können. Der Rhein fließt übrigens immer noch in die richtige Richtung (lacht).

Wie sah der Vormittag bei Familie Niedecken heute aus?

Niedecken: So wie fast jeder Morgen. Meine Frau ist zuerst aufgestanden und zum Unterrichten in die Yogaschule gefahren. Ich habe eine Stunde schwitzend auf dem Heimtrainer gestrampelt und mir währenddessen eine DVD von den Stones angesehen, um mich auf unsere Tour einzustimmen. Ich habe geschaut, wie die Helden das machen. Danach habe ich mir einen Obstsalat
gemacht und gegessen.

Für Ihr fünftes und aktuelles Soloalbum „Familienalbum - Reinrassije Strooßekööter“ haben Sie in Familienfotos gestöbert. Welches hat sie am meisten berührt?

Niedecken: Ein Foto, das meine Eltern, meinen 20 Jahre älteren Halbbruder und mich beim Camping am Rhein zeigt. Ich kann mich unglaublich gut an diese Wochenende in perfekter Harmonie erinnern. Es steht auch für ein besonderes Gefühl: Ich habe mich immer sehr geliebt gefühlt. Mein “grooßer Brooder“ (großer Bruder), der viel zu früh verstorben ist, war für mich ein Held, weil er sich damals an Schleppkähnen hängend über den Rhein ziehen ließ.

Sie haben für das Album Rückschau gehalten. Warum jetzt?

Niedecken: Das Familienalbum ist eine Fortsetzung des Albums „Zusamme alt“, das ich 2013 für meine Frau Tina zusammengestellt und aufgenommen hatte. Wir sind seit 30 Jahren zusammen und feiern in diesem Jahr sogar Silberhochzeit. Für das Familienalbum habe ich den Zoom nochmal weiter aufgezogen, von meiner Frau und mir, auf die Ahnen, meine Kinder und auf
die Eltern.

Im Titelsong des Albums heißt es: „Insjeheim steht fest, dat Bloot decker als Wasser ess“ (Insgeheim steht fest, dass Blut dicker als Wasser ist). Woran machen Sie das fest?

Niedecken: Das ist ein Gefühl, etwas Metaphysisches. Die Witwe meines Halbbruders, sie ist für mich wie eine Schwester, durfte mir als Einzige als Kind vor meinen Freunden die Nase putzen, sie darf mir bis heute die Leviten lesen und ich weiß, sie würde mich bis aufs Messer verteidigen. Und in unserer Familie heißt es, ich sei die Reinkarnation meines Großvaters. Dä Platze Manes (Hermann Platz) war Kirchenmaler, ich habe ihn nie kennengelernt, aber ich soll ihm vom Wesen her sehr ähneln: gütig, nie zum Lachen in den Keller gehend, aber manchmal auch depressiv. Meine Frau fängt mich immer wieder auf. Sie ist in unserer Ehe das helle Yin, ich das dunkle Yang.

Familie ist für Wolfgang Niedecken...

Niedecken: ...Heimat.

Wie stellt man sich das vor: Wann waren Sie mit dem neuen Album zufrieden?

Niedecken: Das ist ein Prozess. Wenn man ins Studio geht, dann sind die Stücke geschrieben, man muss genau wissen, was man macht, Zeiten, in denen man im Studio rumgedaddelt hat, sind vorbei. Wir haben das Album vor genau einem Jahr im Esplanade Studio in New Orleans mit fantastischen Musikern aufgenommen. Den Titelsong habe ich in Indien geschrieben.

„Verdamp lang her“, ein fiktives Zwiegespräch mit ihrem verstorbenen Vater, hat es nicht ins Familienalbum geschafft. Was ist passiert?

Niedecken: Das Stück haben wir schon in allen Varianten gespielt. Wir haben lieber die Entstehungsgeschichte „Et ess lang her“ aufgenommen.

Stöbern wir in der imaginären Erinnerungskiste „Bap-Konzerte in
Trier“. Ist ihnen ein Konzert besonders in Erinnerung geblieben?

Niedecken: Ja, das Konzert 1991 im Moselstadion unter anderem mit Dave Stewart und Bob Geldof. Das war toll. Und an die Konzerte in der Europahalle erinnere ich mich gut, es war immer unglaublich voll und heiß.

Ihre tiefe Liebe zu Köln ist bekannt. Was schätzen Sie an Trier?

Niedecken: Trier ist noch älter als Köln und ebenfalls von den Römern gegründet. Das verbindet. Die Mentalität der Trierer ist entspannt, wie die der Rheinländer.

Auf was dürfen sich die Trierer Fans am 31. Mai in der Arena besonders freuen?

Niedecken: Es spielen erstmals in unserer mehr als 40-jährigen Bandgeschichte Bläser mit. Man könnte sie auch aus dem Synthesizer spielen, aber das ist nicht mein Ding. Jetzt spielen wir sogar Waschsalon wieder, ein Lied, auf das ich jahrelang keine Lust mehr hatte, aber mit den Bläsern freue ich mich drauf.

Sie sind sozial sehr engagiert, wurden mehrfach ausgezeichnet, auch weil Sie sich explizit zu politischen Fragen äußern. Was braucht die Gesellschaft aktuell am nötigsten?

Niedecken: Zusammenhalt und dass wir nicht nachlassen, uns in den anderen
hineinzuversetzen. Unsere Kultur gründet auf Empathie, auf Nächstenliebe.

Noch ein Blick in die Zukunft: Auf der BAP-Homepage steht unter dem letzten Tour-Termin in Euskirchen: Fortsetzung folgt. Das bedeutet?

Niedecken: Wie immer: Es kommen wohl noch weitere Tour-Daten hinzu. Und ich könnte mir vorstellen, den Zoom noch einmal noch weiter zu öffnen.

Das Familienalbum finden Sie auf der BAP-Website unter www.bap.de.
Tickets für das Konzert am Donnerstag, 31. Mai, um 20 Uhr in der Arena Trier erhalten Sie im TV-Servicecenter in der Neustraße 91 in Trier.

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