"Ich sehe dem Wandel gelassen entgegen"

Trier · Zuwanderung heißt das Zauberwort. Durch seine Infrastruktur als Oberzentrum und die Nähe zum Boomstandort Luxemburg hat Trier gute Zukunftschancen - meint Oberbürgermeister Klaus Jensen in einem Interview im Rahmen der TV-Serie zur demografischen Entwicklung in der Region.

 Triers Oberbürgermeister Klaus Jensen. TV-Foto: Archiv/Roland Morgen

Triers Oberbürgermeister Klaus Jensen. TV-Foto: Archiv/Roland Morgen

Trier. Im Gespräch mit unserem Mitarbeiter Tobias Senzig erklärt Oberbürgermeister Klaus Jensen, wie sich die Stadt Trier auf den demografischen Wandel vorbereitet.
Zukunft der Region



Das Statistische Landesamt hat für die Stadt Trier nur noch 79 000 Einwohner im Jahr 2050 errechnet. Was halten Sie davon?
Jensen: Es wird sich zeigen, dass das so nicht eintritt. Schon Ende der 70er Jahre wurde gesagt, dass Trier im Jahr 2005 nur 80 000 Einwohner hat. Viele Faktoren kann man einfach nicht vorhersehen. Trier gehört heute zu den zehn begehrtesten Immobilienstandorten in Deutschland. Wir hätten sogar noch mehr Einwohner, wenn wir mehr Wohnungen hätten.
Also: Der demografische Wandel geht an Trier vorbei?
Jensen: Was man aus meiner Sicht wirklich verlässlich prognostizieren kann, ist die Verschiebung der Alterspyramide. Und da kommt es auf die Interpretation an. 30 Prozent der Einwohner sind über 60 - na und? Die meisten von ihnen bleiben lange aktiv. Alter ist grundsätzlich keine Belastung, sondern bietet viele Chancen der Lebensgestaltung.

Was bedeutet das für die Rentenkasse?
Jensen: Natürlich hat die Verschiebung Konsequenzen. Aber vor ein paar Jahren lag das tatsächliche Renteneinstiegsalter noch bei 59, inzwischen bei 63. Natürlich kann man bei bestimmten Berufsgruppen streiten, ob das Sinn macht oder nicht. Viele Firmen entdecken plötzlich, wie wertvoll die Erfahrung älterer Arbeitnehmer ist.

Schon jetzt herrscht in der Region ein Mangel an Auszubildenden.
Jensen: Ja, hier in der Region fehlen jetzt schon mindestens 3000 Fachkräfte. Wir wollen in den nächsten Jahren verstärkt Menschen anwerben, insbesondere Arbeitslose aus Regionen, wo die Arbeitslosenquote hoch ist.

Sie reagieren auf das Aussterben also mit Zuwanderung?
Jensen: Es gibt ein großes Interesse, hier in der Stadt zu wohnen - aus ganz unterschiedlichen Gründen. Wir haben in den nächsten Jahren und Jahrzehnten etliches vor, ich sage nur Feyen und Tarforst. Trier ist, gemessen an der Bevölkerung, die Stadt mit der höchsten Zahl von Baugenehmigungen.

… und der höchsten Mietsteigerung.
Jensen: Ja, eben weil nicht genug gebaut wird und das Interesse so groß ist. Wir wollen mit viel mehr Wohnungen dafür sorgen, dass das Mietniveau sinkt. Bis 2020 wollen wir 110 000 Einwohner haben.

Generell gehen die Einwohnerzahlen zurück, nur Trier wächst - wo kommen die Leute denn her? Gibt es bald keine echten Trierer mehr?
Jensen: Trierer wird es auch noch geben. Es gibt verschiedene Trends: Menschen aus Luxemburg zeigen zunehmend Interesse daran, in Trier zu wohnen. Zudem ziehen viele Menschen vom Land in die Städte. Und wir haben auch einen Zuzug aus beruflichen Gründen. Denken Sie nur an die vielen Menschen, die an der Universität arbeiten - die meisten kommen von weiter her.

Wie sieht es denn mit dem natürlichen Nachwuchs aus? Haben Sie den vor lauter Zuwanderung schon abgehakt?
Jensen: Nein, überhaupt nicht. Wir sind hier in Trier Spitzenreiter in Rheinland-Pfalz, was die Kinderbetreuung anbelangt. Da haben wir schon jetzt ein unheimlich gutes Angebot.

Das schlägt sich aber noch nicht auf die Geburtenrate durch, oder?
Jensen: Das sind sehr langfristige Maßahmen. Aber wir hätten noch weniger Kinder, wenn es diese Dinge nicht gäbe.

Sie setzen auch auf einen Zuzug von älteren Mitbürgern. Wie kommt das?
Jensen: Einfach weil man im Alter nicht mehr so mobil ist. Und bestimmte Dinge - medizinische, pflegerische Versorgung - können auf dem Land nicht überall angeboten werden. Außerdem hat man im Alter mehr Zeit für Dinge wie Kultur, Theater und andere Angebote. In Trier haben wir das alles. Deshalb sehe ich diesem demografischen Wandel sehr gelassen entgegen.

Was tut Trier für die Alten?
Jensen: In der Verwaltung - ob Tiefbauamt, Sozialamt oder Stadtentwicklungsamt - beschäftigen sich alle mit dem demografischen Wandel. Ein Beispiel: Viele Menschen haben wegen des Pflasterbelags Schwierigkeiten, zu Fuß über den Hauptmarkt zu gehen, Als der verlegt wurde, hat noch niemand an Dinge wie die Barrierefreiheit gedacht. Das ist heute anders. Neue Wohngebiete werden komplett barrierefrei geplant. Zu bestimmten Anteilen muss Mehrgenerationenwohnen und integratives Wohnen eingeplant werden.

Das hört sich an, als ob die Stadt ein großes Altenheim wird?
Jensen: Wir werden 30 Prozent mehr alte Leute haben - das heißt aber nicht, dass wir auch 30 Prozent mehr Pflegebedürftige haben. Wie viele Tausend Leute, die in Rente gegangen sind, engagieren sich weiterhin aktiv in der Gesellschaft? Ich begegne ihnen jeden Tag. Unser Gemeinwesen würde überhaupt nicht mehr richtig funktionieren, wenn die Alten nicht da wären.

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