„Ich wäre lieber im Bett geblieben“

TRIER. Kurz war die Nacht und aufregend der Morgen – rund 5000 Menschen waren wegen der Bombenentschärfung aufgefordert gewesen, ihre Wohnungen zu verlassen. Feuerwehr und Polizei kontrollierten ab 7.30 Uhr. In den Notunterkünften war wenig los.

 Wer es nicht allein schafft, sein Zuhause zu verlassen, dem helfen Hunderte Freiwillige aus den städtischen Feuerwehren und Hilfsdiensten. TV-Foto: Friedemann Vetter

Wer es nicht allein schafft, sein Zuhause zu verlassen, dem helfen Hunderte Freiwillige aus den städtischen Feuerwehren und Hilfsdiensten. TV-Foto: Friedemann Vetter

"Achtung, Achtung, hier spricht die Polizei. Bitte verlassen Sie bis acht Uhr ihre Wohnungen". Mit dieser Botschaft zog die Polizei ab 7.30 Uhr durch die Straßen der Evakuierungszone und forderte Anwohner auf, ihre Wohnungen zu verlassen. 27 Feuerwehrmänner des Löschzugs Ruwer liefen durch die Friedrich-Wilhelm-Straße in Richtung Mutterhaus und klingelten an jeder Tür. Sie kontrollierten, ob die Häuser geräumt waren und erinnerten Bürger, ihre Wohnungen pünktlich zu verlassen. "Es läuft gut, es gibt keine Weigerungen zu gehen", sagte Löschzugführer Wolfgang Müller. Jedes kontrollierte Haus wurde mit einem weißen Klebestreifen markiert. "Damit wir wissen, wo wir schon waren", erklärte Müller.Der Löschzug Ruwer war - wie rund 300 weitere freiwillige Feuerwehrleute - bereits am Freitagabend vier Stunden unterwegs gewesen und hatte Handzettel mit den nötigen Informationen verteilt. Darauf stand auch der Hinweis, dass in der Nacht zum Sonntag auf Sommerzeit umgestellt werde. "Angesichts der Umstellung wäre ich auch lieber im Bett geblieben", gestand Conny Schmitt. "Aber wenn doch etwas passiert? Ich habe Enkelkinder, von denen will ich noch etwas haben." Deshalb entschloss sie sich, in die Notunterkunft in der Pestalozzi-Hauptschule zu gehen. Sie verbrachte die Zeit mit Quatschen, Lesen und Kaffeetrinken.

Evakuierungsgeschichten aus Kriegszeiten

Das Rote Kreuz war mit fünf Männern vor Ort, erwartet hatten sie 150 Menschen. Doch es kamen weit weniger. Rund 100 hätten insgesamt die vier Anlaufstellen der Stadt aufgesucht, hieß es vom Einsatzstab. "Viele sind wohl bei Bekannten und Freunden untergekommen", stellte Hans-Günther Lanfer vom städtischen Presseamt fest.

Susanna Otten hatte ihren sechsjährigen Enkel Tobias am Wochenende zu Besuch und verbrachte mit ihm den Morgen in der Pestalozzi-Schule. Oma und Enkel machten an der Tafel Rechenspiele und spielten auf dem Schulhof.

Während für viele Anwohner die Evakuierung eine ganz neue Erfahrung war, erinnerten sich Ältere an Evakuierungen im Zweiten Weltkrieg. "Wir am Moselufer mussten aber nicht raus", erzählte eine ältere Dame. "Wir hatten Flüchtlinge." "Ich habe Evakuierungen in München mitgemacht", berichtete ihre Tischnachbarin. "Schrecklich."

Solche Geschichten hörte auch Wolfgang Müller, Leiter des Angela-Merici-Gymnasiums (AMG). Seine Schule war ebenfalls Anlaufstelle für evakuierte Bewohner und mit rund 50 Gästen die meistbesuchte. Studentin Wiebke Herber nutzte dort die Zeit, um ihre Nachhilfestunden vorzubereiten. Sie war ganz überrascht, als sie von der Evakuierung erfuhr. Seit acht Uhr saß sie im "schönen" Innenraum des AMG. "Den Wecker hatte ich mir auf sieben Uhr gestellt. Ich wollte wach sein, bevor die Feuerwehr klingelt", berichtete sie. Nicht jeder war vorbereitet. "Mich haben sie mit Sturmklingeln rausgeholt", erzählte ein Mann. Die meisten jedoch wussten Bescheid. Den Eindruck hatte auch Wolfgang Müller vom Löschzug Ruwer. "Schon bei unserem Rundgang am Freitagabend wussten rund 95 Prozent der Menschen von der Bombenentschärfung."

Ein Telefonanruf: Alles ist vorbei

Reden, lesen, Kaffee trinken - so verging die Zeit. Im AMG bekam Alfons Kirsten vom Malteser Hilfsdienst um 10.30 Uhr einen Anruf und verkündete: "Die Bombe ist entschärft. Sie können nach Hause gehen." Schon wenige Minuten später war der Innenhof wie leergefegt, und die freiwilligen Helfer räumten auf.

Vorfälle während der Evakuierung und in den Anlaufstellen seien nicht bekannt, hieß es vom Presseamt. In zwei, drei Fällen hätten Anwohner mit "leichtem Nachdruck" zum Gehen aufgefordert werden müssen. "Ansonsten ist alles positiv gelaufen."

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