"Ich war voller Wut"

TRIER. Von ihren Plänen, als internationale Beobachter nach Mexiko zu reisen, berichteten im Sommer vier junge Trierer ( TV vom 13. August 2003). Johannes Plotzki erzählt nun nach seiner Rückkehr, wie es war.

Kaum hat er seinen Uni-Abschluss in der Tasche, nistet sich Johannes Plotzki (28) auf einem Frachtschiff ein. Sein Kurs: Mexiko. Doch der Geografie-Absolvent ist nicht auf dem Weg in den Abenteuerurlaub. Er ist als Menschenrechtsbeobachter unterwegs und wird "konstruktive Konfliktarbeit" leisten. Sein Einsatzort ist Chiapas, der südlichste Bundesstaat Mexikos. Nach 500 Jahren Unterdrückung versucht dort die indigene Bevölkerung, ein selbstbestimmtes Leben zu führen. 1994 kam es zum Aufstand der Zapatistas und in der Folge zum Aufbau von autonomen Strukturen in Verwaltung, Gesundheit, Bildung und Versorgung. Die mexikanische Regierung antwortete darauf mit militärischer Repression und führt seither einen "Krieg niederer Intensität" gegen die Kleinbauern in Chiapas. Um sich vor den Menschenrechtsverletzungen der Militärs zu schützen, richteten einige Dörfer "zivile Friedenscamps" ein und laden regelmäßig internationale Beobachter ein. Mit einem Zertifikat der Organisation Carea e.V. kann sich auch Johannes Plotzki vor Ort als in Seminaren geschulter Menschenrechtsbeobachter ausweisen. Seine erste Station ist eine räumungsbedrohte Gemeinde. Um dahin zu gelangen, muss sich der junge Deutsche den Weg durch den Regenwald bahnen. Es gibt keine Straße, die in die Gemeinde an der Grenze zu Guatemala führt. Dass Plotzki zwei Wochen ohne Strom und Telefonverbindung erwartet, ist ihm bewusst. Die Unterkunft ist eine Hütte, die ohne Eisenteile gebaut ist; das Bett ein einfaches Holzbrett.Gemeinde niedergebrannt

Seine Aufgabe: Sobald sich ein Motorboot nähert, muss er zum Fluss rennen, Fotos machen und sich als Menschenrechtsbeobachter zu erkennen geben. Plotzki baut auch persönliche Kontakte zu den Dorfbewohnern auf. Umso bitterer ist es für ihn, im Nachhinein zu erfahren, dass die Gemeinde unmittelbar nach seinem Weggang geräumt und niedergebrannt wurde. "Ich war voller Wut und Besorgnis um die Menschen", erzählt Plotzki. Er gibt seine Erlebnisse und die Fotos von Mexiko aus an seinen "Unterstützerkreis" aus Freunden im Westen weiter. Für die nächsten zwei Wochen ist Plotzki Menschenrechtsbeobachter in einem Hochland-Dorf, in dem das Trauma eines Massakers noch stets präsent ist. Den heftigsten Angriff auf seine Person erlebt Plotzki, als er bei einer von ihm begleiteten Demonstration in Chiapas von Dorfbewohnern mit Steinen beworfen wird. Einen anderen Teil des zapatistischen Aufstandes und die harte Arbeit, die hinter einem Pfund Kaffee steckt, lernt der Kaffee-Fan kennen, als er die Kaffee-Kooperative "Mut Vitz" besucht. Dass es möglich ist, selbstverwaltete Strukturen über ein großes Gebiet aufzubauen, hat den Trierer "sehr mitgerissen". Obwohl er weiß, dass die zapatistische Bewegung nicht auf Deutschland übertragbar ist, ist die Selbstorganisation der Zapatistas für Plotzki "ein Ansporn, in Deutschland weiter zu machen. Mit der Bestrebung, das Machtvakuum, das durch den Rückzug des Staates aus den Grundbedürfnissen wie Gesundheit, Transport und Bildung entsteht, mit selbstverwalteten Strukturen zu füllen". Mit seiner Rückkehr aus Mexiko ist seine Aufgabe als Menschenrechtsbeobachter noch nicht abgeschlossen. In einem zweiten Schritt versucht er nun, seine Erfahrungen und den Konflikt in Chiapas in Deutschland bekannt zu machen. In den nächsten Wochen wird Johannes Plotzki mit einem Dia-Vortrag unter anderem in Trier, Norddeutschland, Kassel und Tübingen Station machen. Chiapas lässt den Trierer nicht los. Im Dezember will er wieder als Menschenrechtsbeobachter nach Mexiko gehen. Diesmal allerdings für ein ganzes Jahr und gegen Bezahlung. Kontakt: Johannes Plotzki, E-mail: johannes@plotzki.de, Informationen: Carea e.V. Mexiko, Telefon/Fax 030/42805666, Email carea@gmx.net, Internet: www.buko.info/carea

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort