"Ich will noch viele Akzente setzen" - Klaus Jensen im TV-Gespräch

Trier · Baum-Prozess, ECE-Diskussion, Schulkonzept - es war ein ereignisreiches Jahr für Trier. Zudem kündigte Oberbürgermeister Klaus Jensen (SPD) an, nicht für eine weitere Amtsperiode zu kandidieren. Der TV hat mit ihm über 2013 und seine Pläne für 2014 gesprochen.

Wohin es diesmal in den Weihnachtsurlaub geht, wollte der OB nicht verraten. Nur, dass er froh ist, dass seine ganze Familie wieder zusammenkommt. Über seinen Blick auf das abgelaufene Jahr hat er mit den TV-Redakteuren Michael Schmitz und Jörg Pistorius gesprochen.

Steigen wir ein mit einer Frage einer TV-Leserin: "Warum wollen Sie nicht mehr OB in unserer schönen Stadt sein?", will Erika Dülmer wissen und weiter: "Wollen Sie Ihre Frau unterstützen oder haben Sie einen lukrativeren Job in Aussicht?"

Jensen: (lacht) Die Antwort habe ich ja schon häufiger gegeben. Es bleibt bei einer Amtsperiode, weil ich dann am Ende meiner Amtszeit 63 bin und nicht noch mit 71 OB sein möchte. Meine Frau unterstütze ich immer, unabhängig von meinem Status. Und einen lukrativen Job hab ich keinen und werde auch keinen annehmen. Gazprom hat auch noch nicht angerufen. (lacht) Ich denke da eher an Dinge wie meine Stiftung.

Nicht unterschlagen wollen wir, dass Frau Dülmer Sie auch noch gelobt hat: "Trotzdem vielen Dank von einem Radfahrer für Ihre Arbeit mit den Radwegen, Sie haben viel bewirkt." Welche anderen Reaktionen haben Sie denn bisher auf die Ankündigung, nicht mehr anzutreten, erfahren?

Jensen: Die Reaktionen nach der Pressekonferenz haben mich tief berührt. Es gibt bis heute täglich viele Meldungen, mündliche und schriftliche, von innerhalb wie außerhalb der Stadt, die die Entscheidung bedauern, aber Verständnis haben. So eine große Zahl von Reaktionen hätte ich nicht erwartet.

Die Leserin hat ja recht, es sind tatsächlich einige Radwege in diesem Jahr hinzugekommen, allein in jüngster Zeit. Welche Erfolge gab es aus Ihrer Sicht denn 2013 sonst noch?

Jensen: Für mich ist das Wichtigste, dass meine über zwei Jahre währenden Bemühungen Früchte getragen haben, dass es demnächst wieder sozialen Wohnungsbau in der Stadt gibt. Aufgrund der Förderrichtlinien lag das ja völlig danieder. Da habe ich als Trierer Oberbürgermeister und über den Städtetag in Mainz massiv Einfluss genommen, dass sich das ändert. Zum 1. Januar treten die neuen Förderrichtlinien in Kraft - die Trierer werden davon in den nächsten Jahren erheblich profitieren. Positive Wirkung wird für Trier auch die Reform des kommunalen Finanzausgleichs haben. Das bringt der Stadt ab nächstem Jahr rund zehn Millionen Euro zusätzlich. Und positive Änderungen gibt es auch bei der Finanzierung der Schülerbeförderung. Das sind alles die Früchte von intensiven Kämpfen, bei denen ich an vorderster Front mitgewirkt habe.

Über den Erfolg anderer Projekte, die das Jahr 2013 bestimmt haben, kann man ja streiten: Halten Sie das vom Stadtrat verabschiedete Schulkonzept für einen großen Wurf?

Jensen: Der große Wurf war es nicht. Das habe ich ja damals auch schon bei der Ratssitzung bewusst zu Protokoll gegeben. Teilweise war klar, dass es Entscheidungen gab, die man in diesem Jahr noch nicht treffen konnte. So muss man sich bei den Realschulen noch ein, zwei Jahre die Entwicklung der Schülerzahlen ansehen. Eine andere Frage ist aber, dass sich die ADD Neubauten und Umbauten von Schulgebäuden ganz kritisch ansehen wird, solange wir in Trier noch Leerstände haben. Diese Frage wird auf den Rat früher oder später wieder zurückkommen.

Beim Thema ECE sind Sie mit großen Plänen gestartet, hatten eine unterschriftsreife Entwicklungsvereinbarung und sind dann vom Stadtrat ziemlich ausgebremst worden. Welche Lehren ziehen aus der ECE-Geschichte?

Jensen: Ich habe von Anfang an immer gesagt, dass ich nicht ein großes ECE-Center in Trier haben will, auch wenn das leider immer falsch dargestellt wird. Eine Lehre ist deshalb vielleicht, dass es nicht immer gelingt, das zu transportieren, was man meint. Wir sind jetzt aber auf einem guten Weg, mit der Arbeitsgruppe einen Entwicklungsprozess für Innenstadtentwicklung, Wohnen und Handel hinzukriegen. Wir machen genau das, was ich von Anfang an geplant hatte, mit einem Unterschied: Wir machen es ohne Beteiligung des möglichen Investors ECE. Die inhaltliche Ausrichtung, der Prozess mit Bürgerbeteiligung, Kammern und City Initiative - das war alles genauso konzipiert.

Stichwort Theater: Der Stadtrat hat dem Drei-Sparten-Haus eine Bestandsgarantie gegeben. Wo das Geld für die Sanierung herkommen soll, hat der Rat aber nicht gesagt. Haben Sie eine Idee?

Jensen: Der Beschluss war ganz wichtig, denn jetzt wissen wir, in welche Richtung wir marschieren müssen. Trier als Oberzentrum mit so einem großen Einzugsbereich braucht ein solches Theater. Auch als harten Standortfaktor in einer Zeit, in der die Region unter Fachkräftemangel leidet. Das Drei-Sparten-Haus macht Sinn, wenn es gelingt, das Theater zu reformieren, also eine andere Organisationsform zu finden. Ein Theater ist kein Amt. Da fehlt die notwendige Flexibilität. Kulturdezernent Thomas Egger und mir ist es gelungen, durchzusetzen, dass das Land den Zuschuss zum Theater nicht deckelt. Da hat es schon in diesem Jahr wieder einen Aufschlag gegeben - das Land nimmt also seine Verantwortung wahr. Jetzt müssen auch das Umland und die Wirtschaft mehr tun. Allein kriegen wir das nicht gestemmt.

Bei diesem Thema war der Rat sich ja sehr einig. Bei einem anderen weniger: Zunächst wurde die Prüfung der kommunalen Geschwindigkeitsüberwachung vom Rat eingefordert, was mit großem Aufwand von der Verwaltung betrieben wurde, dann hat der Rat sie trotzdem abgelehnt. Bedauern Sie manchmal, dass Sie in Ihrer Amtszeit im Gegensatz zu ihrem Vorgänger nicht dauerhaft eine Ratsmehrheit hinter sich haben?

Jensen: Normalerweise läuft das ja nicht so. 98 Prozent aller Beschlüsse werden mit großer Mehrheit gefällt. Hier hat es im zuständigen Ausschuss vorher auch eine Mehrheit gegeben. Dann haben einige Ratsmitglieder kurzfristig ihre Meinung geändert. Ich fand das nicht in Ordnung, und zwar aus inhaltlichen Gründen: Wir haben täglich Anfragen aus der Bevölkerung, hier und dort die Geschwindigkeit zu kontrollieren, aber wir haben es nicht in der Hand. Der Finanzaspekt zieht auch nicht: Niemand macht mit den Kontrollen Verluste, ich habe mit vielen Amtskollegen aus anderen Städten darüber gesprochen.

Ein großes Thema des Jahres war das dramatische Baumunglück und seine Folgen. Nun hat die Stadt eine Stelle ausgeschrieben, die aber angeblich nichts mit dem Unglück zu tun hat. Welche Konsequenzen zieht die Verwaltung denn, wenn nicht die einer anderen Organisation?

Jensen: So ein tragisches Unglück kann man natürlich nie ganz ausschließen. Wir werden auch nie ausschließen können, dass von 30 000 Bäumen einer umstürzt. Aber es muss jetzt natürlich noch einmal alles auf den Prüfstand. Das passiert auch auf den unterschiedlichsten Ebenen. Ähnlich war das auch nach dem Loveparade-Unglück von Duisburg. Danach haben alle Verwaltungen ihre Brandschutz- und Sicherheitsvorkehrungen überprüft. Wir haben im Brandschutz seitdem rund sieben Millionen Euro investiert. Jeder, der Verantwortung trägt, überlegt sich jetzt dreimal, was passieren könnte. Es kann immer nur um Risiko-Minimierung gehen.

Der Befürchtung, Sie wären für den Rest der Amtszeit eine "lame duck", also eine machtlose Ente, sind Sie ja schon entgegengetreten. Nun steht 2014 ja eine OB-Wahl an, aber Sie sind nicht beteiligt. Ist das nicht eigentlich eine gute Voraussetzung, befreit aufzuspielen?

Jensen: Ich empfinde in der Vorschau der 15 Monate, die ich noch vor mir habe, keinerlei Einschränkung, eher zusätzlichen Schub. Ich habe mit meiner Meinung nie hinter dem Berg gehalten, aber ich bin jetzt natürlich noch freier, weil ich nicht Gefahr laufe, zumindest im Unterbewusstsein Dinge deshalb zu tun, damit ich wiedergewählt werde. Deswegen kann ich in den 15 Monaten noch viele Akzente setzen - und das will ich auch.

Wenn wir Ende 2014 noch mal zusammensitzen: Auf welche gelungenen Projekte des Jahres werden wir dann zurückblicken?

Jensen: Wir haben dann mit einem neuen Flächennutzungsplan die Voraussetzungen dafür geschaffen, dass in Trier in den nächsten Jahren der Wohnungsbau so läuft, dass wir das gewollte Bevölkerungswachstum in den Griff kriegen - und das nicht nur für Menschen mit hohen Einkommen.
Dann werden wir der Konsolidierung des Haushalts ein großes Stück nähergekommen sein, im Haushalt 2015 sehe ich nur noch ein kleines Defizit.Und dann hoffe ich, dass wir Ende des Jahres sagen können: Leute, es ist zwar im Moment doof, dass ihr morgens in Trier-Nord etwas länger im Verkehr steckt - aber dafür wird in der Loebstraße intensiv gearbeitet. Extra: Der "First Gentleman" zu GroKo, Glühwein, Weihnachtsurlaub

Neben den ernsten Fragen haben wir Oberbürgermeister Klaus Jensen auch gebeten, Antworten zu folgenden Stichworten zu geben. GroKo: Hat mir anfangs Bauchweh gemacht, jetzt freue ich mich, dass durch die große Koalition auch wichtige Dinge für die Stadt umgesetzt werden. Meine Rolle als "First Gentleman" im Land … kann ich aus Zeitgründen, weil der OB einfach wichtiger ist, nicht so wahrnehmen, wie ich das manchmal gerne möchte. Der Trierer Weihnachtsmarkt … ist, wenn ich das richtig in Erinnerung habe, laut einem europäischen Wettbewerb, der drittschönste in Europa. Glühwein … wird bei Kälte besonders gerne getrunken (lacht). In der dritten Person, ich trinke ja so gut wie keinen Alkohol. Der Umsatz, den ich dem Weihnachtsmarkt beschere, kommt eher durch Krumpereschniedschen. Weihnachtsurlaub: Findet statt, zur großen Freude sogar mit der kompletten Familie. Es gibt nichts Schöneres, als wieder mal zusammen zu sein. Die Silvesternacht … steht bevor (lacht). Die werden meine Frau und ich in aller Ruhe und Abgeschiedenheit verbringen. Meine Rente … dazu hab ich mir noch keine Gedanken gemacht. mic

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