Ihr Kinderlein, kommet …
Trier · Die Zweijährigen können kommen: Gut zwei Monate, bevor der Rechtsanspruch auf einen Kindergartenplatz für Zweijährige in Kraft tritt, stehen kreisweit 650 Plätze zur Verfügung. Das ist etwas mehr als die vom Land geforderte Anzahl.
Die Erzieherinnen in den Kindergärten betreuen längst nicht mehr nur sogenannte Regelkinder im Alter von drei bis sechs Jahren. Wie rasant sich in den vergangenen Jahren die Aufnahme von unter Dreijährigen entwickelt hat, macht ein Zahlenvergleich deutlich: Waren im Jahr 2005 kreisweit gerade mal 40 Kinder unter drei Jahren in den 74 Kindergärten und in der Kindertagespflege angemeldet, sind es heute bereits 850. Von diesen sind 650 Zweijährige. Für diesen Jahrgang garantiert das Land ab dem 1. August 2010 einen Kindergartenplatz. Mainz geht davon aus, dass etwa 50 Prozent aller Zweijährigen von ihren Eltern tatsächlich angemeldet werden. Mit 650 Plätzen bei insgesamt 1150 Zweijährigen (56,5 Prozent) liegt der Kreis Trier-Saarburg schon heute über dieser Anforderung.
Hubert Ludwig, zuständiger Sachbearbeiter beim Jugendamt, weiß jedoch mittlerweile, dass das Land mit seiner geschätzten Anmeldequote zu niedrig liegt. 70 bis 80 Prozent aller Zweijährigen, so die Tendenz im Kreis, werden im nächsten Kindergartenjahr zusteigen; in manchen Gemeinden seien es sogar 100 Prozent. Zusätzlicher Anreiz ist die Beitragsfreiheit, die ab 1. August für alle zwei- bis sechsjährigen Kindergartenkinder im Land gilt. An vielen Kindergarten-Standorten stehen laut Ludwig noch Umbauten zur Schaffung weiterer Plätze an. Und da die 1150 Zweijährigen ja nicht alle zum Stichtag vor der Tür stehen, sondern innerhalb des nächsten Kindergartenjahres nach und nach eintrudeln, ist Ludwig davon überzeugt, dass auch 70 bis 80 Prozent der Kinder einen Platz bekommen werden. Der Kreis strebe ein "bedarfsdeckendes Angebot" für Zweijährige bis spätestens Sommer 2011 an. Wo der Rechtsanspruch für ein zweijähriges Kind nicht ab 1. August 2010 realisiert werden kann, die Eltern aber wegen ihrer Berufstätigkeit auf einen Platz angewiesen sind, werde sich das Jugendamt um die Vermittlung einer wohnortnahen Tagesmutter bemühen. Zurzeit werden kreisweit etwa 60 Kinder unter drei Jahren von Tagesmüttern betreut, insgesamt sind 130 in der Tagespflege.
Der Rechtsanspruch für Zweijährige bezieht sich auf einen Platz in zumutbarer Entfernung von der Wohnung. Kilometer und Zeit spielen dabei keine Rolle, gemeint ist damit ein Platz am Ort oder in einer Nachbargemeinde. Anders als bei den Drei- bis Sechsjährigen ist damit jedoch für die Zweijährigen kein Anspruch auf Beförderung verbunden. Die Eltern müssen selbst den Transport organisieren.
Seit 2006 hat der Kreis rund 23 Millionen Euro investiert, um Plätze für unter Dreijährige zu schaffen. Teilweise wurden parallel dazu Sanierungsmaßnahmen vorgenommen. Kostenträger sind Gemeinden und Städte mit rund 10,26 Millionen Euro, der Kreis mit 6,35 Millionen Euro, der Bund (4,42 Millionen Euro) und das Bistum (1,35 Millionen Euro). Hinzu kommen Mittel aus dem Konjunkturprogramm in Höhe von 670 000 Euro.
Meinung
Teuer erkauft
Das Land Rheinland-Pfalz schmückt sich gerne mit dem Prädikat familienfreundlich. Bei den Kindergärten trifft dies zweifellos zu, denn Mainz geht mutig voran und erleichtert Familien durch den Rechtsanspruch und die Beitragsfreiheit die Kinderbetreuung enorm. Wie es aussieht, drängen demnächst sogar weit mehr Zweijährige in die Kindergärten als das Land erwartet hat. Mit der Folge, dass die selbst gesteckten gesetzlichen Platzgarantien bis zum Stichtag 1. August 2010 wohl kaum einzuhalten sein werden. Auch wird die Schaffung neuer Plätze teuer erkauft: Die nötigen Um- und Anbauten werden größtenteils auf Pump finanziert. Das Land, aber auch die anteilmäßig an den Kosten beteiligten Städte und Gemeinden, geraten dadurch noch tiefer in die Schuldenfalle. Die Öffnung der Kindergärten für Kleinkinder wirft auch die Frage auf, ob man damit noch dem Erziehungsauftrag, nämlich die Kinder individuell nach ihren Fähigkeiten zu fördern, gerecht werden kann. In vielen Einrichtungen reicht die Versorgungsbreite vom Pampers- bis zum Vorschulkind - für das Personal ein pädagogisch wie logistisch äußerst schwieriger Spagat. a.follmann@volksfreund.de