Im Dienst der Völkerverständigung

TRIER. Vor 35 Jahren leitete er als jüngster Professor die neu gegründete Trierer Uni. Der Sprachwissenschaftler Wolfgang Kühlwein wird heute feierlich von seinen Pflichten entbunden.

Wolfgang Kühlwein ist mit Leib und Seele Dozent. Der Anglist gehört zu denen, die spürbar Spaß an ihrer Arbeit haben. Und mehr noch. Während manche Kollegen in den Semesterferien nach der Korrektur von Hausarbeiten oder Klausuren flugs in ihr toskanisches Ferienhäuschen düsen, lehrt Kühlwein im Ausland weiter. Beispielsweise in den USA, wo er seit einigen Jahren - als Deutscher - amerikanische Studierende zu Englischlehrern ausbildet. "Das ist Erholung dort, weil in den Kursen nur acht Leute sitzen", sagt Kühlwein. In der Anglistik an der Trierer Universität sieht das etwas anders aus. Dort kommen auf einen Dozenten über 80 Studierende. "Die Rahmenbedingungen hier sind sehr schwer zu vertreten", sagt der Fachmann für Mediävistik und Linguistik, dem sonst so schnell nichts aufs Gemüt schlägt. "Das ist inzwischen schon kriminell." Kommunikation, die bei überfüllten Seminaren auf der Strecke bleibt, ist für den Sprachwissenschaftler enorm wichtig. Dies ist ein Grund, warum es Kühlwein schon seit langem als Gastdozent oder Berater in die USA, nach Südamerika, Ost- und Südostasien oder West- und Osteuropa zieht. Wenn sich in Finnland Professoren darüber beschwerten, weil sie 20 Hörer betreuen müssten, könne er nur schmunzeln, erzählt er. Der wichtigere Grund für seine häufigen Auslandsaufenthalte während Forschungsfreisemestern oder den Semesterferien liegt jedoch in seiner Kindheit begründet. Als Fünfjähriger sah Kühlwein 1945 seine Heimatstadt Nürnberg brennen. "So etwas wollte ich nie wieder erleben. Deshalb liegt mir viel an der Verständigung mit anderen Völkern." Und da tut Kühlwein sein Möglichstes. Egal, wohin es ihn zu Forschungszwecken oder Lehraufträgen verschlägt, er versucht vorher so gut es geht, die dortige Sprache zu erlernen. "Die Menschen sind viel offener, wenn man sich mit ihnen ein bisschen in ihrer Landessprache unterhalten kann." Wer in sein Büro kommt, sieht nicht nur Bücher über Alt- und Mittelenglisch und angewandte Linguistik. In den Regalen stehen auch Titel wie "Learning Practical Tibetan" und "Maori Dictionary". Anfang der 90er-Jahre lernte Kühlwein noch Chinesisch an der Trierer Universität. Wenig später veröffentlichte er bereits Übersetzungen vom Chinesischen ins Deutsche. Er arbeitete sogar an zwei Fachwörterbüchern mit, die 1998 und 2003 erschienen. Kühlwein, dessen amerikanische Krawatten zu seinem Markenzeichen geworden sind, liebt Sprachen und den Kontakt mit Menschen. Seine Veranstaltungen versucht er so praxisnah wie möglich zu gestalten. So gewissenhaft wie er lehrt, war auch seine Ausbildung. Er studierte Anglistik, Germanistik und Slavistik in Erlangen, promovierte mit 26 Jahren in Kiel und habilitierte sich 1970 in Stuttgart. Wenig später wurde er Vizepräsident der neu gegründeten Universität Trier-Kaiserslautern, oder - wie es der Trierische Volksfreund seinerzeit formulierte - Leiter der Teiluniversität Trier. Der damals jüngste Professor an der Trierer Uni erhielt neben seinem Anglistik-Lehrstuhl dort bald auch einen Lehrauftrag am Centre Universitaire de Luxembourg. Durch seine internationalen Beziehungen, die er in 35 Jahren unter anderem durch Austauschprogramme knüpfte, und sein riesiges Engagement trug und trägt er stark zum guten Image der Trierer Universität bei. Heute um 10 Uhr wird der 65-Jährige in Hörsaal 5 in einer Feierstunde von seinen Pflichten als Professor zum nächsten Semester entbunden. Selbst wenn der gebürtige Franke und dreifache Vater emeritiert ist, wird sich trotz seiner Ankündigung, sich "erst einmal zwei Semester auszuklinken", nicht viel an seinem bewegten Leben ändern. Demnächst stehen wieder Seminare in Indonesien und China auf dem Programm. Und obwohl es ihn stets in die Fremde zieht, möchte er Trier nie verlassen. Mit solch einem Namen passt er schließlich auch sehr gut dorthin.

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