Im Einklang mit sich und der Natur leben

Jürgen Meßer, der den Knospenhof in Herl bewirtschaftet, treibt die Unmittelbarkeit und Nachhaltigkeit eines bäuerlichen Daseins an. In der Serie "Mein Traum" erzählen Menschen aus der Region, welche Visionen zum Wegweiser für ihr Handeln geworden sind.

 Keine Entfremdung mehr: Jürgen Meßer vereint als Demeter-Landwirt Werte, Leben und Arbeit. TV-Foto: Anke Emmerling

Keine Entfremdung mehr: Jürgen Meßer vereint als Demeter-Landwirt Werte, Leben und Arbeit. TV-Foto: Anke Emmerling

M eine Eltern haben mir den Namen Jürgen gegeben, eine Abwandlung von Georg, was "Landmann" bedeutet. Vielleicht war darin schon etwas angelegt? Dabei hatte ich anfangs keinerlei Verbindungen zur Landwirtschaft. Als Städter in Pforzheim aufgewachsen, bin ich in die 68er-Bewegung hineingerutscht. Den Aufbruch fand ich gut - mir hat die Welt, wie sie war, nicht gefallen. Ich habe viel demonstriert, für Frieden und gegen Atomkraft. Aber da blieb ein Zwiespalt: Es trat nicht ein, wofür ich mich eingesetzt hatte. Außerdem musste ich auf kritische Fragen hin zugeben, dass ich meine Ideale selbst nicht lebte.

Ich bin dann in die Erzieher-Ausbildung gegangen, weil mir das als Möglichkeit erschien, Menschen zu erreichen und etwas bewegen zu können. Die Arbeit mit Kindern hat mir Spaß gemacht, aber ihr Erfolg im Sinne einer nachhaltigen Einflussnahme war begrenzt. Dem Zeitgeist entsprechend zog ich aufs Land. Und da hat die Vision, die mich noch heute leitet, Gestalt angenommen. Ein kleiner benachbarter Bauernhof faszinierte mich. Ich erkannte: Hier gibt es keine Arbeitsplatzentfremdung. Alles ist eins, wo man wohnt, arbeitet man auch - selbstbestimmt. Das hat mir gefallen!

Und ich habe weiter gedacht: Jeder braucht Nahrung, folglich muss er zum Bauern. Wenn ich für andere erzeuge, kann ich über die Ernährung Botschafter sein!

Ich suchte eine Lehrstelle auf einem ökologisch bewirtschafteten Betrieb, doch die waren knapp, ich kam auf einen konventionellen Hof. Dort traf ich mit VW-Bus und langen Haaren ein, als "grüner Spinner", der sich gegen das Spritzen sträubte, und den der Hofherr deshalb mit Genuss Zuckerrübenäcker hacken ließ. Ich habe es gemacht und Respekt geerntet. Ein weiterer konventioneller Betrieb vergrößerte mein Lern-Spektrum, auch hinsichtlich dessen, was ich anders machen wollte. Ich habe mir in Lehrgängen die biologisch-dynamische Wirtschaftsweise nach Rudolf Steiner angeeignet - und kam nach Herl. Dort wollten wir mit acht Erwachsenen und drei Kindern zudem das Ideal vom Leben im Kollektiv verwirklichen. Doch das war zum Scheitern verurteilt.

Seit 1982 führe ich den Hof mit meiner Familie und einer eigenen Art, Werte zu leben. Wir wirtschaften naturnah, halten unsere Tiere artgerecht, bemühen uns, Ressourcen zu sparen und verantwortlich mit Konsum umzugehen. Meinen Kindern vermittele ich, dass es sich lohnt, etwas zu erhalten. Ich werfe nichts weg, repariere Dinge lieber oder funktioniere sie um. Auf manches verzichten wir - mit Gewinn. Wir haben zum Beispiel keinen Fernseher. Es ist doch schöner, miteinander zu reden. Wenn Praktikanten auf unserem Hof arbeiten, verlange ich von ihnen, dass sie Kopfhörer und Handys weglegen. Sie sollen sich konzentriert verbinden mit dem, was sie tun. Zu unserem Leben gehört untrennbar das Engagement für andere. Ich bin im Vorstand der Waldorfschule, wir helfen Kindern in Not, haben während des Balkankriegs Flüchtlinge aufgenommen und beherbergen jetzt eine ausgebrannte Familie. Daraus tanke ich persönlich viel Kraft. Ich bin heute nicht mehr so radikal wie früher, aber empfinde mein Leitbild als stimmig. Zugrunde liegt ihm der Traum, dass nachfolgende Generationen aufgrund unseres Verhaltens keine Belastungen erfahren. Und da kann ich selbst im Kleinen Dinge revolutionieren."

Aufgezeichnet von Anke Emmerling

Zur PersonJürgen Meßer, 1954 in Pforzheim geboren, war Waldorfschüler, Erzieher und ging dann in die Landwirtschaft. Seit 1982 führt er den Knospenhof in Herl als biologisch-dynamischen Milchviehbetrieb mit eigener Käserei und Direktvermarktung ab Hof und auf dem Wochenmarkt. Der Hof ist mehrfach ausgezeichnet und Demonstrations- sowie Ausbildungsbetrieb. (ae)

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