Im Heim, aber ohne Heimat

Zu einer dreistündigen Veranstaltung geriet die Podiumsdiskussion zum Thema "Entrechtung und Gewalt an Kindern" anlässlich des Buches von Jenö Alpár Molnár über seine gestohlene Kindheit. Vor der eigentlichen Diskussion las ein Mitarbeiter aus dem Buch vor 30 Interessierten im Bildungs- und Medienzentrum VHS (Volkshochschule) Trier.

 Jenö Alpár Molnár sprach über seine Entführung. TV-Foto: Gabriela Böhm

Jenö Alpár Molnár sprach über seine Entführung. TV-Foto: Gabriela Böhm

Trier. (gsb) Jenö Alpár Molnár, als zehnmonatiges Kind 1946 von der US-Militärpolizei entführt, hat seine gesamte Kindheit und Jugend in oberösterreichischen Heimen verbracht. Über seine erschütternden Gewalterfahrungen hat der Trierer Geschäftsmann das Buch "Wir waren doch nur Kinder..." geschrieben (der TV berichtete). Besonders erschütternd: Nach Molnárs Recherchen war der zuständigen Behörde der Wohnort seiner Mutter bekannt. Dieses Buch lenke den Blick auf das Thema der Heimkinder und ihrer verlorenen Kindheit, leitete Moderator Frank Weiland ein.

Bis es zur Diskussion in dem völlig überhitzten VHS-Raum kommen konnte, gab es ausführliche Textpassagen aus dem Buch sowie sehr ansprechende Flötenmusik von der elfjährigen Tamara Pütz. Der Kinder- und Jugendtherapeut Robert Filz ging auf die rechtliche Situation von Kindern ein. Dank des Kinder- und Jugendhilfegesetzes könnten Kinder ihre Rechte einfordern und Eltern müssten Hilfe bekommen. "Das Recht ist gut, aber bei der Umsetzung ist es ein Problem", meinte Filz. Teilweise verhinderten Jugendämter Hilfe, weil das Geld nicht dazu da wäre.

Klare Worte fand Privatdozent Waldemar Vogelgesang. Der Soziologe hatte per Zufall das Manuskript von Molnárs Aufzeichnungen gesehen und ihn ermutigt, daraus ein Buch zu machen - Folgebände seien geplant. Es beschreibe die Ausweglosigkeit der Heimkinder, die damals "2. Klasse" waren. Um der permanenten Unterdrückung und Gewalt widerstehen zu können, hätten die Kinder "Gegenwelten" produziert. "Trotz Dauerkontrolle der Einrichtung haben die Kinder in der Gruppe so Überlebensstrategien entwickelt."

In den 50er Jahren gab es in Deutschland 3000 Kinder- und Jugendheime mit einer Million Kindern und Jugendlichen. 80 Prozent davon waren konfessionell. Die Erziehungsideologien waren bis in die 60er Jahre europaweit stark regressiv. Das bestätigten einige Teilnehmer, die von der damals üblichen Prügelstrafe oder gewalttätigen Priestern berichteten.

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