"Im Moment viele Baustellen"

RUWER. Auch wenn die Zeiten, in denen er mit Guildo Horn vor 60 000 Zuschauern bei "Rock am Ring" gespielt hat, vorbei sind, kann sich der Musiker und Motorradfan Albert Niesen über Langeweile nicht beklagen.

 Musiker und Motorradfan: Albert Niesen aus Ruwer, einst ein "Orthopädischer Strumpf", hat viele Eisen im Feuer. Foto: Christian Jöricke

Musiker und Motorradfan: Albert Niesen aus Ruwer, einst ein "Orthopädischer Strumpf", hat viele Eisen im Feuer. Foto: Christian Jöricke

Vor dem Haus steht ein Baucontainer. Der Keller und der erste Stock werden gerade renoviert. Neue Wände, neuer Boden und eine neue Decke. Albert Niesen macht das meiste im ehemaligen Elternhaus selbst. Eine handwerkliche Ausbildung hat er zwar nicht, aber wenn sich der Ruwerer für etwas interessiert, bringt er es sich bei. "Wenn man nicht gerade zwei linke Hände hat, kann man alles lernen. Man muss sich nur damit beschäftigen." So wie mit seinen Motorrädern. In der Garage stehen eine fahrtüchtige '72er Kawasaki 900 Z1 und zwei Z 650, von denen eine aufgebockt ist. "Der Vergaser will noch nicht so richtig." 1995 entdeckte der heute 46-Jährige seine Leidenschaft für motorisierte Zweiräder. Vor allem die Kawasaki-Z-Reihe hat es ihm angetan. "Das waren die ersten Motorräder, die mir richtig gut gefallen haben." Im vergangenen Jahr düste Niesen, der sich die Motorrad-Reparatur-Kenntnisse natürlich auch selbst angeeignet hat, durch halb Kalifornien. Zu seinem 50. Geburtstag in vier Jahren will er über die Route 66 brettern. Von Rock-am-Ring zur Rateshow

Es wäre jetzt eine hübsche Überleitung, zu schreiben, er hätte dabei eine seiner 17 Gitarren auf den Rücken geschnallt, aber erstens wäre dies sehr kitschig, und zweitens würde es nicht stimmen. Doch wo wir schon mal bei Gitarren sind: Bekannt geworden ist Albert Niesen als Gitarrist Pierre Kertzman bei Guildo Horn. Beide spielten vorher schon zusammen in der Showband California, und Anfang der 90er-Jahre war er Gründungsmitglied der Orthopädischen Strümpfe. Bis 1998 währte die Verbindung, ehe die Band nach der Teilnahme beim Grand Prix d'Eurovision, bei Rock am Ring und über 170 Konzerten in zwölf Monaten wegen menschlicher und monetärer Streitigkeiten fast geschlossen (August Schrader machte weiter) aufhörte. Bedauert habe Niesen diese Entscheidung nie, auch wenn das "eine richtig geile Kapelle" gewesen sei. Die Musiker (Niesen, Michael Kernbach, Rainer Kind und Michael Schneider) bestreiten deshalb heute noch einige Projekte gemeinsam. Nach der Trennung von Guildo gründeten sie die großartige Retro-Formation "Disco Inferno", die aber mangels Aufträgen schon nach einem knappen Jahr wieder aufgelöst wurde. Nicht mehr Glück hatten sie mit dem viel versprechenden Deutsch-Punk-Polit-Projekt "Hanf Baumann" um Autor und Sänger Michael Schmidt-Salomon. Es folgten Auftritte in der Fernseh-Rateshow "Hast Du Töne?", doch nach 67 Sendungen wurde es Niesen und Co. zu viel. "Wir machten drei bis vier Sendungen am Tag und das mehrere Tage hintereinander", sagt der Musiker. "Pro Folge mussten wir 25 Titel drauf haben. Das war sehr stressig." Zuletzt fanden sich die Ex-"Strümpfe" vor wenigen Monaten zur Aufnahme des aktuellen Albums von Michael Holm wieder zusammen. Niesen spielt außerdem seit 2002 für die Cover-Band Ollywood. Dass deren Konzerte nicht vor Tausenden Besuchern stattfinden, stört ihn nicht. "Mir ist es egal, vor wie viel Leuten ich spiele. Hauptsache, wir und das Publikum haben Spaß." Damit ihm die meist gute Laune und Ausgeglichenheit nicht abhanden kommt, will der Gitarrist, der seit vier Jahren als technischer Angestellter an der Fachhochschule Trier arbeitet, seine Betätigungsfelder in Zukunft etwas reduzieren. "Im Moment habe ich einfach zu viele Baustellen." Denn trotz Umbaumaßnahmen, Reparaturen und Hobbys, zu denen auch Fotografieren und eine eigene Homepage ( www.kawa-z1.com) gehören, soll seine Familie nicht zu kurz kommen. Auch wenn es dem dreijährigen Max nichts auszumachen scheint, mit dem Papa stundenlang in der Garage zu bosseln.

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