Justiz Opfer war nicht bewusstlos vom Würgen

Trier · Im Prozess um den Angriff auf eine 24-jährige Besucherin der Zewener Kirmes sagt ein Gerichtsmediziner aus.

 Vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Trier hat der Gerichtsmediziner ausgesagt. Ein 34-Jähriger soll seine 24-jährige gewürgt haben.

Vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts Trier hat der Gerichtsmediziner ausgesagt. Ein 34-Jähriger soll seine 24-jährige gewürgt haben.

Foto: TV/Friedemann Vetter

Weil er seine 24-jährige Ex-Freundin bis zur Bewusstlosigkeit gewürgt haben soll, muss sich ein 34-jähriger Zewener vor der Schwurgerichtskammer des Landgerichts verantworten.

Die Anklage lautet auf versuchten Mord (der TV berichtete). In der Sitzung am Donnerstag hat der Mainzer Gerichtsmediziner Prof. Dr. Thomas Riepert das Wort. Da der Experte den Fall bisher nur aus den Akten kennt, wird in seinem Beisein erneut ein wichtiger Zeuge gehört. Der junge Mann war am Abend des 2. Juli 2017 als Erster am Tatort. Dort sei es ihm nach seinen Angaben gelungen, das Opfer und den würgenden Täter zu trennen.

Der Zeuge: „Als ich mich näherte, hatte sie noch Abwehrbewegungen mit den Armen gemacht. Dann konnte ich ihn von ihr wegstoßen. Zuvor hatte er sie etwa 30 Sekunden lang gewürgt. Sie lag mit geschlossenen Augen auf dem Rücken und rührte sich nicht mehr.“ Er habe ihr dann einen Schlag ins Gesicht versetzt, wonach „so etwas wie ein Aufatmen durch sie ging“. Äußerlich seien rote Flecken erkennbar gewesen – sie war aber nicht blau angelaufen, wie irrtümlicherweise berichtet.

Eine Ärztin spricht als Zeugin von roten Flecken im Halsbereich, einer Schräghaltung des Kopfes, Prellungen und einem leichten Bluterguss am Hals der Frau. Außerdem habe die Patientin einen Tag nach dem Vorfall über Halsschmerzen, Schluckbeschwerden, Kopfschmerzen und Angstzustände geklagt.

Gerichtsmediziner Riepert eröffnet sodann sein Gutachten mit einer theoretischen Einführung in den Vorgang des Würgens und dessen Folgen. Was beim Würgern auftreten könne sei sowohl die Unterbindung der Atmung als auch die Unterbrechung der Blutzufuhr zum Gehirn. Riepert: „Das Gehirn ist auf ständige Sauerstoffzufuhr angewiesen. Wird die Hirndurchblutung und damit Sauerstoffversorgung für etwa acht Sekunden unterbrochen, tritt die Bewusstlosigkeit ein.“ Allerdings dauere es normalerweise eher lange, bis die Blutzufuhr durch Würgen komplett unterbrochen sei und die Bewusstlosigkeit eintrete. Ein Angreifer müsse dazu den Hals über mehrere Minuten lang fest zudrücken.

„Daher“, so der Experte „sehen wir in der Gerichtsmedizin so häufig Opfer, die gewürgt, aber nicht erwürgt wurden.“ Die von den Zeugen beschriebenen Spuren am Hals der Frau würden schon zu einem Angriff auf den Hals passen. Aber mit welcher Intensität sei hier zugedrückt worden? Habe dieses Würgen für die Bewusstlosigkeit ausgereicht oder hatte es eine andere Ursache?

Der Gerichtsmediziner kommt zu dem Schluss, dass die Bewusstlosigkeit des Opfers nicht durch das Zudrücken am Hals entstanden sein konnte. Riepert sagt: „Der Zeitraum von etwa einer halben Minute war zu kurz, um die Blutzufuhr zum Hirn zu unterbrechen oder die Atmung zu unterbinden.“ Zudem hätten die Verletzungen am Hals nicht den Charakter klassischer Würgemerkmale.

Riepert hat für die Bewusstlosigkeit eine andere Erklärung. Dabei richtet er das Augenmerk auf einen Punkt unterhalb der Kinnlade, an dem entlang die Kopfschlagader verläuft. „Schon ein kurzzeitiges Abdrücken der Hauptschlagader an dieser Stelle unterbricht die Blutzufuhr und führt zur Bewusstlosigkeit.“ Möglicherweise habe der halb auf dem Opfer liegende Angreifer beim Würgen am Hals kurzzeitig an diesem Punkt der Kinnlade die Schlagader zugedrückt. Wie bedrohlich so eine kurzzeitige Bewusstlosigkeit für das Opfer sei, wird Riepert gefragt. Antwort: „Das kann natürlich unter Umständen lebensgefährlich werden – etwa wenn sich der Bewusstlose erbrechen muss.“ Insgesamt sei es zwar unwahrscheinlich, dass dadurch der Tod eintrete, aber ganz auszuschließen sei es auch nicht.

Auf zivilrechtlicher Ebene hat es zwischen dem Angeklagten und seiner Ex-Freundin unterdessen eine Vereinbarung gegeben: Er hat ihr 1000 Euro Schmerzensgeld gezahlt.

Die Verhandlung wird am 8. März, 9 Uhr, fortgesetzt.

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