"Im Tiefflug kamen die Flieger angerauscht"

TRIER-WEST/EUREN. Generalstabsmäßig und ohne größere Zwischenfälle verlief die Evakuierung der vom Bombenfund betroffenen 2100 Einwohner in den Stadtteilen Trier-West und Euren. Der Großteil kam bei Verwandten und Freunden unter; knapp 50 Personen wurden in der Messehalle betreut

"Dat is lecker, wat kost dat?", fragt die ältere Dame und ist ganz erstaunt, als Jutta Lamberty von den Irscher Maltesern ihr sagt, die heiße Bouillon gebe es heute gratis. Nur knapp 50 Personen von den insgesamt 2100, die gestern wegen der Fliegerbombe in der Spirostraße evakuiert werden mussten, kamen in die Notunterkunft in den Moselauen. Darunter befanden sich auch einige Bettlägerige, für die eigens ein Zelt aufgebaut wurde. In der Messehalle ist die Lage bei Einsatzkräften und Anwohnern entspannt. Das Szenario gleicht einem Stadtteilnachmittag bei Kaffee und Tee.Auch rund um die Spirostraße macht sich nachmittags keine Hektik breit. Jutta Schraps aus der Eurener Straße holt gerade ihre Mutter Anita Powierski ab. "Zum Glück ist heute schönes Wetter", meint sie, "wir fahren ins Städtchen und gehen ein Eis essen." Brigitte Wenner ist ein wenig aufgeregt, aber nicht wegen des Bombenfunds, sondern wegen ihrer vielen Tiere in der Wohnung. Sie und ihre Nachbarn wollen "zum Pater" in die Don-Bosco-Einrichtung gehen. "Den Hund nehme ich mit", entscheidet sie, "die Meerschweinchen, der Hamster und der Papagei müssen in der Wohnung bleiben." Sie hofft, dass der Papagei nicht allzu geschwätzig ist, "sonst glaubt die Feuerwehr noch, da ist noch einer drin". Unterdessen werden in der Messehalle die zehn Einsatzteams eingeteilt, die kontrollieren sollen, ob auch tatsächlich alle die Wohnungen im Sperrgebiet verlassen haben. Das Gros stellen Feuerwehrleute, es ist aber jeweils auch ein Polizist dabei, für alle Fälle. "Wenn einer mal nicht aus dem Haus will, macht eine grüne Jacke schon mal Eindruck", meint ein Beamter. Einsatzleiter Herbert Albers-Hain erinnert noch mal daran, alle geräumten Häuser mit einem Kreuz aus Tesastreifen zu kennzeichnen. Insgesamt sind bei der Evakuierungsaktion 150 Hilfskräfte im Einsatz, darunter jeweils ein Drittel von Feuerwehr, Polizei sowie Malteser und Rotem Kreuz. Einer, der schon viele Katastrophen miterlebt hat, ist der DRK-Ortsbeauftragte Alfons Kirsten. Er und seine Kolleginnen registrieren jede evakuierte Person, die in die Messehalle kommt. Name, Vorname, Adresse, Geburtsdatum - alles wird akribisch erfasst, um dies mit den Listen der Helfer vor Ort abgleichen zu können. Kirsten findet das Spektakel um die Bombe "nicht so schlimm wie Tokio Hotel", als reihenweise die Mädels ohnmächtig wurden.

Anwohner vermuten weitere Blindgänger

Mit Ehemann Morris, dem sechs Monate alten Sohn Marcel und Patentante Daniela Schneider gehörte die 25-jährige Patricia Schwarz zu den ersten, die gegen 16 Uhr die Messehalle aufsuchten. "Ich bin schon ein wenig ängstlich", gesteht sie, "aber es ist trotzdem spannend". Ihr Mann sei bei der Bundeswehr und habe ihr Mut gemacht, dass die Spezialisten solche Situationen im Griff hätten, meint sie. Die 83-jährige Anna Sturm hat schon einmal eine Evakuierung mitgemacht, auch in Euren. Damals sei die Notunterkunft in der Hornkaserne gewesen. Gertrud Michels hat die Bombe an den Krieg erinnert. Im Tiefflug seien Ende 1944 die Flieger angerauscht und hätten es immer wieder auf das Ausbesserungswerk der Bahn abgesehen. "Da liegen noch viele andere Blindgänger", sind viele Anwohner überzeugt.

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