In die Bütt‘ mit den Gehörnten

Trier · Sie haben ihre Lehrjahre und ihre Abschlussprüfungen erfolgreich absolviert. Dennoch sind die Absolventen des grafischen Gewerbes erst richtige Gesellen, nachdem sie ein jahrhundertealtes Ritual auf dem Kornmarkt überstanden haben: das Gautschfest. Am Freitag wurden 35 Gesellen mit dem traditionellen Wasserbad auf dem Kornmarkt losgesprochen.

 Die Kornuten werden gegautscht: Mit der traditionelle Taufe auf dem Kornmarkt werden die Azubis des grafischen Gewerbes losgesprochen. Foto: Privat

Die Kornuten werden gegautscht: Mit der traditionelle Taufe auf dem Kornmarkt werden die Azubis des grafischen Gewerbes losgesprochen. Foto: Privat

Trier. "Kornuten!" - Hörnerträger! So spricht Zeremonienobermeister Jürgen Nilles die 35 jungen Leute an, die ihn erwartungsvoll und mit einem mulmigen Gefühl im Magen anblicken. Nilles trägt ein prunkvolles Festgewand mit Pelz, seine Sprache mutet mittelalterlich an.
35 Auszubildende aus dem grafischen Gewerbe sind mit dem traditionellen Gautschfest losgesprochen worden. "Euch haften immer noch Fehler und Hudelei, Meckerei und Lasterhaftigkeit der Lehrlingszeit an", verkündet Nilles vor mehr als 150 Zuschauern auf dem Trierer Kornmarkt. Nur durch das Gautschen, der rituellen Wassertaufe, könnten die frisch gebackenen Drucker, Buchbinder und Mediengestalter zu wahren "Hütern des Gutenberg‘schen Erbes" werden, schwört Nilles die Gesellen ein.
Feierlich leisten die Azubis gemeinsam den Eid, "stets ein tugendhaftes Leben zu führen." Dann werden sie unter den schadenfrohen Blicken der Zuschauer der Reihe nach in eine große Bütte mit eiskaltem Wasser getaucht. Die sogenannten Packer - eine Delegation des Prüfungsausschusses bestehend aus Mitgliedern der Industrie- und Handels- sowie der Handwerkskammer - gehen dabei äußerst kreativ vor. Zum Vergnügen des Publikums befördern sie jeden Azubi auf andere Weise ins kalte Nass - kopfüber, seitwärts, Bauch voran. "Erst danach gelten sie als saubere und brauchbare Gehilfen", sagt Olaf Fackler von der Kreishandwerkerschaft Trier-Saarburg.
Das Wort Gautschen stammt aus der Sprache der Papiermacher. Ursprünglich bezeichnete es einen Arbeitsschritt, bei dem überflüssiges Wasser aus dem frischgeschöpften Papierbrei herausgepresst wurde. "Im übertragenen Sinne werden beim Gautschfest die Unarten der Lehrzeit aus den Azubis herausgepresst", erklärt der Obermeister der Innung des grafischen Gewerbes, Jürgen Nilles.
Der Brauch des Gautschens wurde vor 27 Jahren von Wolfgang Raab, dem Ehrenobermeister der Innung des grafischen Gewerbes, in Trier wiedereingeführt - dieses Jahr hat es zum 28. Mal stattgefunden. Außer in Mainz, der Heimatstadt des Buchdrucks, werde das Gautschfest heute nur noch selten in so öffentlicher Form praktiziert wie in Trier, sagt Fackler.
"Der Printbereich ist inzwischen hochgradig technisiert. Durch die Fortführung des Gautschfests in Trier möchten wir der Moderne bewusst ein Stück Tradition entgegensetzen und uns unserer stolzen Berufsgeschichte besinnen", erklärt Fackler.
Und Nilles fügt hinzu: "Heute umgibt uns der Print in allen Lebensbereichen, vom Internet bis zur bedruckten Milchtüte am Frühstückstisch. Oft wird die Printindustrie gar nicht mehr wahrgenommen. Durch das Gautschen möchten wir auch wieder ein bisschen mehr Aufmerksamkeit auf unsere Berufszweige lenken." bekeDie gegautschten Absolventen: Dominik Klein (Riol), Christopher Schend (Föhren), Marco Heinz (Landscheid), Joann Duru (Neumagen-Dhron), Patrick Polis (Konz), Janine Dornoff (Klausen), Carina Clausen (Birgel), Carsten Braun (Bernkastel-Kues), Anna Grewelding (Maring-Noviand), Christoph Haubrich (Salmtal), Andrej Budnikow (Atzelgift), Linda Ludwig (Atzelgift), Denise Schlabach (Siegen), Frederik Templin (Bad Sobernheim), Vanessa Zagar (Kamp-Lintfort), Karol Krupinski (Trier), Sabrina Möckel (Morbach), Stefanie Frick (Mehring), Michaela Metzen (Altrich), Timo Hlouschek (Neumagen-Dhron), Julia Weber (Trier), Sandra Schmitz (Trier), Matthias Rieth (Kinheim), Vanessa Heitjans (Longkamp), Christina Gorges (Morbach), Sebastian Berger (Bitburg), Stephanie Follmann (Pelm), Mario Hähn (Winningen), Cora Leucht (Lützen), Julien Böcker (Kyllburg), Michelle Mißler (Saarwellingen), Oliver Rohs (Salmtal), Christian Walke (Sankt Aldegund), Anna Wölfle (Reil), Stefan Bäumler (Zeltingen-Rachtig). beke

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