"Intendant hat starke Position": Jura-Professor im Interview: Wie kann Sibelius-Ära vorzeitig beendet werden?

Trier · Eine Trennung von Theaterintendant Karl Sibelius könnte eine lange juristische Auseinandersetzung mit sich bringen - und teurer werden, als bislang befürchtet.

"Intendant hat starke Position": Jura-Professor im Interview: Wie kann Sibelius-Ära vorzeitig beendet werden?
Foto: (h_st )

Trier. Mehr als sieben Jahre lang hat der gebürtige Bitburger Joachim Weber an der renommierten privaten SRH-Hochschule Heidelberg Wirtschaftsrecht mit dem Schwerpunkt Arbeitsrecht gelehrt.
TV-Redakteurin Christiane Wolff hat mit ihm über die juristischen Implikationen gesprochen, die ein vorzeitiges Ende der Intendanz von Karl Sibelius mit sich bringen könnte.

Belastbare juristische Gründe für eine fristlose Kündigung von Theaterintendant Karl Sibelius sind bislang nicht bekannt geworden.
Welche Möglichkeiten gäbe es außerdem, den noch bis 2020 laufenden Arbeitsvertrag des Intendanten zu beenden?
Joachim Weber: "Befristete Verträge können grundsätzlich einvernehmlich aufgelöst werden - wie der Name schon sagt, müssen damit aber beide Seiten einverstanden sein. Im Fall Sibelius geht die Initiative von der Stadt aus. Sie wird dem Intendanten wohl eine bestimmte Summe anbieten, auf die sich dieser dann einlassen kann.
Er hat bei den wohl bevorstehenden Verhandlungen allerdings meiner Ansicht nach eine relativ starke Position - schließlich hat die Stadt seinen Vertrag sogar noch einmal erneuert, als längst feststand, dass es am Theater finanzielle Probleme gibt.
Herr Sibelius könnte ein Vergleichsangebot also auch ablehnen. Dann bliebe der Stadt noch die Möglichkeit, ihn freizustellen - und ihm sein volles Gehalt weiter zu zahlen, bis sein Arbeitsvertrag regulär ausläuft."

Wenn er als Intendant freigestellt wäre, könnte sein Arbeitgeber denn dann als Gegenwert für den ausgezahlten Lohn eine andere Leistung von ihm verlangen?
Weber: "Dafür müsste im Arbeitsvertrag explizit festgehalten sein, dass der Arbeitgeber ihn auch für eine andere Tätigkeit einsetzen kann außer als Intendanten. Eine solche Klausel erscheint mir allerdings eher unwahrscheinlich. Herr Sibelius müsste sich also freiwillig auf eine solche Regelung - dass er etwa als Schauspieler weiterarbeitet - einlassen."

Sibelius ist seit Wochen krank und kann sich zurzeit nicht selbst zur Sache äußern. Darf der Arbeitgeber während einer Krankschreibung überhaupt solche personalrechtlichen Dinge angehen?
Weber: "Grundsätzlich ja, zumal Herr Sibelius sich ja anwaltlich vertreten lässt und sein Rechtsanwalt in Kontakt mit der Stadtverwaltung steht. Krankheit schützt aber auch sonst nicht generell vor Kündigung oder Freistellung - die Benachrichtigung darf nur nicht zur sogenannten Unzeit zugestellt werden, also wenn ein Arbeitnehmer etwa gerade auf der Intensivstation liegt oder an Heiligabend zum Beispiel."

Bereits im Frühjahr hatte die Stadt geprüft, ob es arbeitsrechtliche Gründe für eine Abmahnung gibt - aber keine gefunden. Ein Vergehen, das eine fristlose Kündigung rechtfertigen würde, konnte Sibelius bislang auch nicht nachgewiesen werden. Trotzdem ist sein Ruf als Intendant zerstört - auch durch die negativen Verlautbarungen und Schuldzuweisungen aus dem Rathaus durch Dezernent Thomas Egger und Oberbürgermeister Wolfram Leibe. Könnte das juristische Folgen haben?
Weber: "Wenn die alleinige Verantwortung für die Finanzmisere Herrn Sibelius nicht hieb- und stichfest angelastet werden kann, könnte er Schadensersatzforderungen an die Stadt stellen wegen Rufschädigung. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der öffentlichen Schuldzuweisungen. Sein Schaden könnte zum Beispiel darin bestehen, dass er zukünftig keine vergleichbare Position, zum Beispiel als Intendant, bekommt. Wäre ich sein Anwalt, würde ich diese Argumente unterstützen. Schließlich ist der Fall inzwischen in der Kulturszene weit überregional bekannt." wocExtra

Professor Dr. jur. Joachim Weber ist 55 Jahre alt und stammt gebürtig aus Bitburg, wo er seit 2015 eine Kanzlei betreibt. Vorher war der studierte Jurist und Verwaltungswissenschaftler zehn Jahre als Hochschullehrer tätig, unter anderem von 2006 bis 2013 an der SRH-Hochschule Heidelberg, wo er Wirtschaftsrecht mit Schwerpunkt Arbeitsrecht unterrichtete. woc

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