Interview Wer den Wald liebt, schützt das Klima

Trier/Saarburg · Klimawandel: Der Geschäftsführer des Kreiswaldbauvereins Trier-Saarburg, erklärt, wie es dem Wald geht und was ihm helfen könnte.

 Wald spielt in und um Trier eine wichtige Rolle. Hier der Blick auf die Kyll und Ehrang, im Hintergrund ist die Mosel zu sehen. Rund 38 Prozent der Fläche der Stadt sind laut Statistischem Landesamt mit Wald bedeckt. Im Kreis Trier-Saarburg sind es 43,5 Prozent.

Wald spielt in und um Trier eine wichtige Rolle. Hier der Blick auf die Kyll und Ehrang, im Hintergrund ist die Mosel zu sehen. Rund 38 Prozent der Fläche der Stadt sind laut Statistischem Landesamt mit Wald bedeckt. Im Kreis Trier-Saarburg sind es 43,5 Prozent.

Foto: TV/Portaflug

Forstamtsleiter Helmut Lieser überblickt die Wald­­­entwicklung seit mehr als 40 Jahren. Gerade deshalb macht er sich auch Sorgen.

Herr Lieser, Sie sind Geschäftsführer des Kreiswaldbauvereins Trier-Saarburg mit rund 900 Mitgliedern. Um wen machen Sie sich derzeit mehr Sorgen: um die Vereinsmitglieder oder um den Wald?

Helmut Lieser: Ich mache mir erst einmal mehr Sorgen um den Wald. Der Wald ist in Gefahr. Aber dann auch um die Mitglieder, denn die verlieren teilweise ihre Waldflächen im Klimawandel. Insofern geht es primär darum, die Gefahren für den Wald zu mindern, denn dann bleibt er den Vereinsmitgliedern auch erhalten.

War die Lage des Waldes in Ihrer Karriere als Förster schon mal so schlimm?

Lieser: Nein, das habe ich in meinen mehr als 40 Jahren als Förster so schlimm noch nicht erlebt. Als junger Forstmann habe ich das Wald­sterben durch den sauren Regen in den 80er Jahren mitbekommen. Die Fichten waren damals quittengelb verfärbt. Durch die Entschwefelung der Abgase, aber auch durch Bodenschutzkalkungen konnte man diese Problematik mindern. Dann habe ich Stürme erlebt: 1990 Vivien und Wiebke, 1999 Lothar, 2007 Kyrill und 2010 Xynthia. Bei diesen Ereignissen hat man aufgeräumt und dann ging es weiter. Das, was jetzt passiert, ist von anderer Qualität,

Was passiert gerade?

Lieser: Die Witterung der vergangenen Jahre war extrem schwierig. Lang anhaltende Trockenheit, Hitze, Stürme, Waldbrände, Insekten, aber auch Spätfröste und sogar Schneebruch in den Hunsrückhochlagen haben dem Wald zugesetzt. Wir verzeichnen einen dramatischen Vitalitätsverlust in den Wäldern, alle Baum­arten sind betroffen.

Was bedeutet Vitalitätsverlust?

Lieser: Der Baum nimmt mit den Wurzeln das Wasser auf, leitet es in sich hoch und atmet das Wasser über die Blätter oder Nadeln wieder aus. Das ist der Zyklus, in dem er lebt und die Photosythese betreiben kann. Wenn Wasser im Boden knapp wird, fängt der Baum an, zu erschlaffen. Er beginnt, innerlich zu vertrocknen. Die Bäume werden anfällig für Krankheiten und Schädlinge.

Gleichen die aktuellen Regenfälle das etwas aus?

Lieser: Sie helfen dem Wald sehr, soweit es sich nicht um Extremniederschläge handelt. Wir haben in diesem Frühjahr 80 000 Pflanzen gesetzt. Im vergangenen Jahr sind Anpflanzungen vertrocknet, aber in diesem Jahr ist alles schön am Wachsen. Und dennoch kann es sein, dass gerade ältere Bäume, die in den vergangenen Jahren sehr stark angetrocknet sind, auch jetzt noch absterben.

Wie sieht es mit dem Grundwasser aus, über das sich Bäume teilweise auch mit Wasser versorgen?

Lieser: Die Wasserwirtschaft hat uns gesagt, dass sich der Grundwasserspiegel aufgrund der drei trockenen Sommer im Schnitt in der Region um 25 Prozent verringert hat. Dieses Jahr sieht das anders aus. Laut Wasserwirtschaft sind wieder circa zehn Prozentpunkte hinzugekommen. Das ist eine erfreuliche Entwicklung, wenngleich sich der Wasserspiegel immer noch unter dem langjährigen Mittel befindet.

Welche Baumarten haben unter der Trockenheit der vergangenen Jahre am meisten gelitten?

Lieser: Die Fichte ist am stärksten betroffen. Sie geht als Flachwurzler  im ausgetrockneten Oberboden als erste Baumart in die Knie geht. Ein massiver Borkenkäferbefall ist die Folge, dem sie nichts entgegenzusetzen hat. Auch die Kiefer und die Buche sind betroffen. Im Prinzip sind aber alle Baumarten betroffen.

Wie stark ist die Fichte im Kreis vertreten?

Lieser: Im Forstamt Saarburg ist die Fichte mit 27 Prozent an der Bestockung beteiligt. Das wird im Kreis ähnlich sein.

Wird die Fichte, die bei uns an vielen Standorten ja nicht ursprünglich heimisch ist, bald aus den Wäldern verschwunden sein?

Lieser: Ich vermute, dass das Fichtenaufkommen in den tieferen und damit wärmeren und trockeneren Lagen auf jeden Fall weniger wird und vielleicht sogar verschwindet. Aber in den etwas höheren Lagen – mein Bereich geht bis 700 Meter, oben auf dem Teufelskopf – wird sie vermutlich weiterhin eine Zukunft haben, auch wenn sie dort aktuell stark betroffen ist.

Warum ist die Fichte so wichtig?

Lieser: Sie liefert bestes Bauholz für Bretter, Bohlen und Kanthölzer für alle technischen Zwecke. Dachstühle bestehen aus Fichtenholz. Die Fichte liefert auch Holz für Spanplatten und für die Papierindustrie.

Was können Waldbesitzer tun, um ihren Wald vor den Wetterextremen zu schützen?

Lieser:  Das ist schwierig. Man muss seinen Wald pflegen, damit er in vitalem Zustand ist. Man muss bei Anpflanzungen darauf achten, standortgerechte Baumarten auszuwählen und Mischbestände anzulegen. Dann verteile ich das Risiko auf mehrere Baumarten. Das sind ganz langfristige Dinge. Ansonsten brauchen wir einen konsequenten Klimaschutz, damit der Wald eine Chance hat. Das ist Aufgabe der Gesellschaft.

Empfehlen Sie auch, trockenresistente Baumarten aus anderen Breiten anzupflanzen?

Lieser: Zu den Baumarten, die unter den sich verändernden Verhältnissen am ehesten eine Chance haben, gehören die Eiche, weil sie eine Pfahlwurzel hat und die Roteiche, die Esskastanie und der Berg­ahorn, eingeschränkt die Buche. Beim Nadelholz setzen wir auf die Douglasie, die europäische Lärche und die Weißtanne. Mit Baumarten, die es hier bisher im Wald noch nicht gab, sind wir vorsichtig. Wir probieren zum Beispiel Atlas-Zeder und Libanon-Zeder im Staatsforst kleinflächig aus, aber wir haben keine Erfahrung mit ihnen. Spätfröste und neue Schädlinge sind da mögliche Risiken.

Herr Lieser, was gibt Ihnen Hoffnung für den Wald?

Lieser: Hoffnung gibt mir, dass die Bevölkerung begreift, dass wir Klimaschutz betreiben müssen. Für mich ist der Jetstream das entscheidende Stichwort. Dieses Luftband in acht bis zwölf Kilometer Höhe lebt von der Temperatur-Differenz zwischen Äquator und Nordpol. Je wärmer der Nordpol wird, um so langsamer wird der Jetstream, um so länger stehen Hoch- und Tiefdruckgebiete über uns, weil sie sich nicht mehr so schnell wegbewegen.
Nur deshalb haben wir jetzt so viele Niederschläge und die vergangenen drei Sommer so viel Hitze.
Der aktive Klimaschutz muss deutlich stärker einsetzen, damit es am Nordpol nicht wärmer wird, ja besser wieder kälter wird.
Und das andere, was mich hoffen lässt: Wir Förster sind hoch motiviert, in dieser Krise den Wald zu retten! Das erlebe ich Tag für Tag.

Im zweiten Teil des Interviews geht es darum, wie globale Entwicklungen und auch der Klimawandel den lokalen Holzmarkt beeinflussen können.

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