Jedes Jahr ein Hektar weniger

TRIER. Die Archäologische Trier-Kommission schlägt Alarm. Das hochkarätig besetzte unabhängige Gremium legt zum zweiten Mal nach 1972 eine Denkschrift zur Rettung des baugeschichtlichen Erbes der ältesten Stadt Deutschlands vor und setzt sich darin unter anderem für großflächige Grabungsschutzgebiete ein.

Auf altem Lorbeer darf man sich nicht ausruhen. Das gilt auch für die Archäologische Trier-Kommission. Sie rief 1972 laut um Hilfe für das antike Erbe - und fand Gehör. Das rheinland-pfälzische Denkmalschutzgesetz von 1978 machte sich einige der Forderungen aus der Denkschrift "Rettet das römische Trier" zu eigen; die Aufnahme antiker Großbauten wie Porta Nigra, Konstantin-Basilika und Dom ins Unesco-Welterbe (1986) geht ebenfalls nicht zuletzt auf das Wirken und Mahnen des 1926 erstmals einberufenen unabhängigen Beratungsgremiums zurück. 33 Jahre später ruft die Kommission wieder um Hilfe und hofft auf eine neuerliche "Welle der Sensibilisierung", wie es ihr Vorsitzender Professor Dr. Siegmar von Schnurbein (Frankfurt) formuliert. Die hat Trier nach Einschätzung des 64-Jährigen bitter nötig. 284 Hektar umfasste die im späten zweiten Jahrhundert errichtete römische Stadtmauer. Heute ist bereits ein Drittel davon archäologische Wüste, und jedes Jahr gehe durch Neubauprojekte ein weiteres Hektar an geschichtsträchtigem Areal auf Nimmerwiedersehen verloren. Im Gegensatz zum 1972er Memorandum, das sich in erster Linie an Fachleute wandte, setzt die neue Denkschrift zudem auf die Sensibilisierung der Öffentlichkeit und ist auch für Laien verständlich. Außerdem widmet sie sich auch Mittelalter-Bauten wie Frankenturm und Turm Jerusalem. Das am Dienstag im Landesmuseum öffentlich vorgestellte Buch umfasst 34 Abschnitte zu Denkmälern und Grabungszonen mit allen einschlägigen Informationen über Archäologie und Denkmalpflege, anschaulich ausgestattet mit Farbfotos, Karten und Plänen. Die Beitrage stammen vorwiegend von Verfassern von Landesmuseum, Universität Trier und vom Bistums-Archäologen Winfried Weber. Hinzu kommen zwei großformatige Karten zur Stadt-Topografie im 4. und im 13./14. Jahrhundert. Schnurbein zeigte, an fünf Beispielen auf, wo der Zahn der Zeit ganz bedrohlich nagt und dringend Schutzmaßnahmen ergriffen werden müssten: an den Fensterlaibungen und Malereien der Konstantin-Basilika, am Original-Mauerwerk der Kaiserthermen, an den im Moselgrund erhaltenen hölzernen Resten der ersten beiden Römerbrücken; außerdem am Tempelbezirk Irminenwingert ("am besten verfüllen und damit schützen") und an der römischen Grabkammer Reichertsberg ("ein besonders trauriges Beispiel. Die wunderschönen Fresken lösen sich bereits auf").Arbeitsgrundlage für Stadt-Bauausschuss

Die Öffentlichkeitswirksamkeit will die Kommission auch über den "wohlfeilen Preis" (Schnurbein) erreichen. Das in der Schriftenreihe des Rheinischen Landesmuseums Trier erschienene 156-Seiten-Buch "Rettet das archäologische Erbe in Trier" ist im Buchhandel für 18 Euro erhältlich. Triers Baudezernent Peter Dietze lobte gestern das "gelungene, anschauliche Werk und kündigte den Kauf mehrerer Exemplare an - "als Arbeitsgrundlage für den städtischen Bauausschuss". Der Mainzer Kultur-Staatssekretär Roland Härtel erklärte, die große Konstantin-Ausstellung 2007 werde "für das Land Anstoß sein, sich noch stärker der Erforschung des archäologischen Erbes in Trier zu widmen". Siegmar von Schnurbein, Chef der Römisch-Germanischen Kommission des Deutschen Archäologischen Instituts (Frankfurt) zugleich Vorsitzender der 23-köpfigen Trier-Kommission, vernahm's mit Freude.

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