"Jetzt kann ich noch klarer Tacheles reden"

Das Ende der Antikenfestspiele, die Achterbahnfahrten des Ampelbündnisses und die zuerst hart erarbeitete und dann noch härter kritisierte neue Trierer Parkordnung: Diese Dinge haben das erste Amtsjahr des Wirtschafts- und Kulturdezernenten Thomas Egger (FDP) sehr turbulent werden lassen.

Trier. (jp/mic) Der Rechtsanwalt hat die Seiten des Verhandlungstischs gewechselt: Aus dem Fraktionsvorsitzenden der FDP im Stadtrat Trier wurde vor einem Jahr der Dezernent für Wirtschaft, Tourismus, Kultur, Sicherheit und Ordnung. Mit den TV-Redakteuren Jörg Pistorius und Michael Schmitz sprach Egger über das politische Klima in Trier - und über Frauen in der Berufsfeuerwehr.

Herr Egger, Sie haben eine außergewöhnliche Karriere durchlaufen. Eintritt in die FDP als Jura-Student, Einzug in den Stadtrat, Fraktionssprecher, schließlich Dezernent. Wo wären Sie heute, wenn es damals nicht die FDP, sondern die CDU gewesen wäre?

Thomas Egger: Ich bin mal ganz frech: Ich wäre in einer ähnlichen Position wie heute. Es ist ein Vorurteil, dass man gerade in kleinen Parteien schnell Karriere machen kann. Auch in größeren Parteien sind Menschen gefragt, die bereit sind, Verantwortung zu übernehmen. Ich hatte schon früh das Ziel, im Stadtrat mitzuwirken. Ich hatte allerdings nie direkt geplant, Dezernent der Stadt Trier zu werden.

Wo und wie grenzt sich denn Ihre Partei, die FDP, in der Kommunalpolitik von den Großen ab?

Egger: CDU und SPD glauben, dass der Staat prinzipiell stark sein muss. Die FDP sieht zuerst den Bürger in der Pflicht. Was kann er für sich selbst tun? Danach schauen wir, was der Staat für den Bürger tun kann. Das ist eine grundsätzlich andere Herangehensweise. Auf kommunaler Ebene verwischen diese Grenzen etwas, dort geht es selten um grundsätzliche Strukturfragen.

In der Legislaturperiode 2004 bis 2009 haben sie die FDP vor jeder Bindung an andere Mächte bewahrt. Danach kam das Ampelbündnis zwischen FDP, SPD und den Grünen. Eine gute Idee?

Egger: Zwischen 2004 und 2009 hatte es aus Sicht der FDP keinen Sinn, sich an eine andere politische Kraft zu binden. Das hätte uns keine Position verliehen, die eine gestaltende Mehrheit ergeben hätte. Danach war das etwas anderes. Wir haben mit der Ampel die Chance gesehen, Politik so zu gestalten, dass es auf uns ankommt und unser Votum auch maßgeblich ist. Es war möglicherweise ein Fehler, die Ampel nur als einfaches Bündnis mit individuellen Freiräumen der Partner zu definieren und nicht als stabile Koalition, in der die Partner fest aneinander gebunden sind. Das weiß ich nicht, man hätte es vielleicht ausprobieren müssen. Ich würde mich unter den gleichen Voraussetzungen auch heute noch für die Ampel entscheiden.

Es lief zuletzt nicht rund in der FDP, es gab Meinungsverschiedenheiten und auch Konflikte. Wird die FDP als kleinste Kraft innerhalb der Ampel zerrieben?

Egger: Das hat die FDP-Fraktion selbst in der Hand. Sie besteht aus vier selbstbewussten Individualisten. Der Anspruch an den Vorsitzenden, die Fraktion zu führen und zu einen, ist höher als in der Legislaturperiode davor.

Während vieler Ratsdebatten war eine leise Ironie typisch für Sie als Sprecher der FDP. Funktioniert diese Ironie auch innerhalb des Stadtvorstands?

Egger: (lacht) Zuerst einmal bedauere ich ausdrücklich, dass ich als Dezernent nicht mehr so wie früher an der Ratsdebatte teilnehmen darf. Da würde mir so manches Mal was einfallen. In der Tat gestalte ich meine Beiträge im Stadtvorstand genauso, wie ich es im Stadtrat getan habe, und zwar in derselben Deutlichkeit wie damals auch. Hier kann ich sogar noch klarer Tacheles reden als in einer öffentlichen Ratsdebatte.

Wie stark ist denn die Konkurrenz der drei Dezernenten im Ringen um Haushaltsmittel und verteilen von Sparzwängen?

Egger: Ich wäre nicht ehrlich, wenn ich sagen würde, dass es diese Konkurrenz nicht gibt. Ein Dezernent trägt schließlich die Verantwortung für die Ämter, die ihm zugeordnet sind. Diese Ämter und ihre Mitarbeiter möchte man natürlich auch unterstützen. In meinem Dezernat ballen sich sehr viele freiwillige Aufgaben, angefangen beim Tourismus bis zur Wirtschafts- und Kulturförderung. Angelika Birk im Dezernat II hat viele gesetzlich festgelegte Aufgaben, die sie wahrnehmen muss. Es gibt diesen Konkurrenzgedanken, den Sie ansprechen. Mir war es im Rahmen der Haushaltsberatungen immer sehr wichtig, darauf hinzuweisen, dass man auch bei Pflichtaufgaben ein Sparpotenzial erkennen kann und nicht immer nur automatisch auf die freiwilligen Aufgaben schauen sollte. Wenn wir alle Vorgaben der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion in Bezug auf die freiwilligen Aufgaben wortwörtlich nehmen würden, könnten wir mein Dezernat bis auf wenige Ämter abschaffen. Das wäre aber der gesellschaftliche Tod für Trier.

Wie sieht denn das Miteinander im Stadtvorstand genau aus? Feste Runden, Flurfunk, Zuruf von Büro zu Büro?

Egger: Sowohl als auch. Es gibt die offizielle Stadtvorstandssitzung montagmorgens. Hier diskutieren wir offen unter der Leitung des Oberbürgermeisters, oft auch kontrovers. Dabei geht es auch um die Folgen bestimmter Vorlagen für die Stadt und die Frage, was in welcher Form politisch durchsetzbar ist. Aber auch außerhalb der festen Runden halte ich einzelne Absprachen für enorm wichtig. Diesen ständigen Dialog gibt es natürlich. Da wir alle einen sehr engen Zeitplan haben, müssen wir uns aber oft einander ganz formgerecht Termine geben, um die Chance eines kurzen Gesprächs zu haben. Mit Simone Kaes-Torchiani etwa habe ich einen Jour Fixe pro Woche.

Sind Sie zufrieden mit der Qualität des Dialogs innerhalb des Stadtvorstands?

Egger: Manchmal denke ich, wir müssten noch mehr miteinander reden. Das Tagesgeschäft drückt einen extrem an die Wand. Es ist immer extrem schwer, sich Zeit freizuschaufeln, um grundsätzliche strategische Diskussionen zu führen.

Sie waren als Anwalt auch Spezialist im Schadenersatzrecht. Mal angenommen, ein Klient wollte die Stadt Trier wegen seines auf der Loebstraße zuschanden gefahrenen Autos verklagen …

Egger: (lacht) Ich würde ihm sagen, such' Dir einen guten Anwalt, ich darf das nicht mehr machen. Im Ernst: Es ist nicht einfach, hier Haftungsansprüche geltend zu machen. Politisch gesehen ist es traurig, dass wir mit der Sanierung der Loebstraße nicht vorangekommen sind in den vergangenen Jahren. Die Verwaltung hat versucht, sich mit den Anliegern so zu einigen, dass für alle Seiten etwas rauskommt. Wenn ich einen dabei nicht überzeugen kann, dann ist es natürlich dessen gutes Recht, das Thema anwaltlich prüfen zu lassen. Es ist jedoch schade, dass alle anderen dann umso länger auf eine Lösung warten müssen.

Eine Frage an den Wirtschaftsdezernenten: Die Stadt Trier hat zurzeit laut TV-Informationen mehr als zehn Veränderungssperren verhängt, mit denen sie in Einzelfällen bauliche Entwicklungen stoppen will, die ihr nicht passen. Ist das nicht eine Bremse und ein klarer Widerspruch zu einer Entwicklung, die Investoren motivieren und anziehen soll?

Egger: Man muss bei einer solchen Zahl auch berücksichtigen, wie viele Bebauungspläne insgesamt aktuell in der Entstehung sind. Baudezernentin Simone Kaes-Torchiani macht hier grundsätzlich den richtigen Schritt. Wenn ich Trier vernünftig entwickeln möchte, dann muss ich es geordnet machen dürfen. Oft hängt es auch davon ab, wie die Investoren vorgehen und wie früh sie den Kontakt zur Stadtverwaltung suchen. Das sollte geschehen, bevor man einen Architekten für viel Geld mit einer Planung beauftragt hat und Fristen zu laufen beginnen. Denn dann kommt die Verwaltung unter Zugzwang und kann nur noch mit einer Veränderungssperre reagieren. Manche Investoren wären wesentlich weiter gekommen, wenn sie mal vorher im Rathaus nachgefragt hätten. Das Ergebnis wäre ein städtebaulicher Vertrag oder ein Bebauungsplanverfahren im beiderseitigen Einvernehmen.

Deutschland diskutiert über Frauen in Chefetagen. Wo sind die Frauen bei der Berufsfeuerwehr Trier?

Egger: Die Berufsfeuerwehr und ich sind uns einig, dass wir Frauen in der Berufsfeuerwehr fördern wollen. Jede Frau wäre mir hier sehr angenehm. Aber es ist ein harter Job: Die Kandidatinnen müssen die hohen körperlichen Anforderungen erfüllen. Außerdem müssen in Rheinland-Pfalz die Bewerber für die Berufsfeuerwehr eine abgeschlossene handwerkliche Ausbildung haben. Es gibt ganz einfach nur wenige, die diese Anforderung ganz erfüllen. Sollte eine Frau sich bei der Berufsfeuerwehr Trier beworben haben und sich ungerechtfertigt abgelehnt fühlen, kann sie sich jederzeit an mich wenden. Ich werde der Sache dann nachgehen.

Der FDP-Kulturdezernent musste die Antikenfestspiele beerdigen. Nagt das an Ihnen?

Egger: Ja, das muss ich zugeben. Ich wäre gerne derjenige gewesen, der die Festspiele in trockene Tücher bringt. Das Beenden der Antikenfestspiele war eine sehr schmerzliche Entscheidung, aber ich habe keinen anderen Ausweg gesehen. Wenn das Alternativkonzept der große Wurf gewesen wäre, hätte ich mich auch vehement dafür eingesetzt. Auch wenn es keine andere Möglichkeit gab, nagt das sehr an mir, ich hätte die Antikenfestspiele gerne gehalten. Es ist mein Wille, in zwei oder drei Jahren ein vernünftiges Konzept für ein tragfähiges Kulturfestival in Trier, das alle Leute mitnimmt, auf die Beine zu stellen.ExtraKurz nachgefragt … Zu diesen Stichworten haben wir Thomas Egger um jeweils in einem Satz bestehende spontane Antworten gebeten. Das Ergebnis: ... Heimat: Ich bin ein Zugereister in Trier und empfinde es wirklich als sehr schön, dass ich diese Stadt mittlerweile als meine Heimat sehe. ... Trierisch: Ein super Dialekt, und ich wollte, ich könnte ihn besser. ... Urlaub: Kommt leider viel zu selten in meinem Leben vor. ... Eintracht Trier: Ein Traditionsverein, der im Ranking besser stehen müsste, als er es tut. ... Saxofon: Eine Leidenschaft, aber ich weiß nicht, wann ich es das letzte Mal ausgepackt habe, es ist sehr lange her. .... Die leere Kasse: Ist ein großes Problem dieser Stadt, und ich glaube auch nicht, dass uns ein Entschuldungsfonds nachhaltig dabei helfen wird, die Kasse zu füllen. ... Die Landtagswahl: Hat ihre Schatten vorausgeworfen insbesondere im Zusammenhang mit der Haushaltsberatung, und ich wäre wirklich sehr froh, wir würden uns bei der Arbeit auf kommunaler Ebene nicht immer so sehr von solchen Dingen beeinflussen lassen. (jp)ExtraThomas Egger wurde am 15. Februar 2010 Dezernent für Wirtschaft, Tourismus, Kultur, Sicherheit und Ordnung der Stadt Trier. Vorher war der 1969 in Ludwigshafen geborene Egger in Trier als selbstständiger Rechtsanwalt tätig, der sich auf Wirtschafts- und Schadenersatzrecht spezialisiert hatte. Laut eigener Aussage sah er seine wichtigste Aufgabe als Anwalt darin, Probleme zu verhindern, bevor sie auftreten. Schon als Jura-Student in Trier trat Egger der FDP bei. 2004 zog er mit den Liberalen in den Stadtrat ein und wurde sowohl Sprecher der damals dreiköpfigen Fraktion als auch Kreisvorsitzender. (jp)

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