Jugendlicher wird in Trier-Ehrang durch Stromschlag einer Oberleitung schwer verletzt - Künstliches Koma

Trier-Ehrang · Durch einen Stromschlag von einer Oberleitung ist ein 16-Jähriger in Trier-Ehrang am Sonntagabend schwer verletzt worden. Die Polizei ermittelt jetzt, warum der Jugendliche der Oberleitung so nah kam.



Mit schwersten Verletzungen ist ein 16-Jähriger aus dem Trierer Stadtteil Pfalzel am Sonntagabend per Rettungshubschrauber in eine Unfallklinik geflogen worden. Der Junge war auf dem Ehranger Rangierbahnhof zusammen mit einem 14-jährigen Mädchen auf das Dach eines Eisenbahnwaggons geklettert. Dabei kam der Jugendliche der Oberleitung, die unter 15.000 Volt Hochspannung steht, offenbar zu nahe und erlitt einen schweren Stromschlag. Der Pfalzeler liegt im künstlichen Koma, das Mädchen musste mit einem Schock in ein Trierer Krankenhaus gebracht werden.

Es war ein warmer Sommerabend, so, wie es in diesen großen Ferien erst wenige gab. Verlockend, draußen zu sein, in der Natur, unter freiem Himmel. Ein 16-jähriger Junge aus dem Trierer Stadtteil Pfalzel hat diese mögliche Freiheitslust am frühen Sonntagabend beinahe mit dem Leben bezahlt.

Zusammen mit seiner 14-jährigen Freundin war er auf dem riesigen Gelände des Ehranger Rangierbahnhofs gegen 19 Uhr auf das Dach eines Waggons geklettert. Viele der Eisenbahnwagen haben am hinteren Ende Leitern, damit Bahnmitarbeiter hinaufsteigen können. Für sie gilt dann ein strenger Mindestsicherheitsabstand von Minimum drei Metern zu den Oberleitungen. Denn selbst über den vermeintlich ungenutzten Abstellgleisen führen diese häufig Strom. Und zwar mit 15.000 Volt - 65 Mal mehr Spannung als aus einer Steckdose kommt.
An den Waggons sind Warnhinweise angebracht. Achtung, Oberleitung! Und als Symbol eine schwarzer Blitz auf gelben Grund. Dass - je nach Feuchtigkeitsgehalt der Luft, Kleidung und Schuhwerk - auch schon bei einem Abstand von zwei Metern zu der nicht isolierten Stromleitung ein so genannter Lichtbogen entstehen kann, ist offenbar vielen nicht bewusst. Der Strom überwindet dabei die Luft, der Mensch fungiert als Leiter, der Körper kann sich auf bis zu 20. 000 Grad erhitzen. Immer wieder kommt es so zu schwersten und auch tödlichen Unfällen (siehe Extra).

"Eventuell, weil der Junge größer ist als das Mädchen, hat der Lichtbogen ihn getroffen", vermutet Stephan Frücht, Pressesprecher der Trierer Bundespolizei, die für Unfälle auf Bahngelände zuständig ist. Das Mädchen, ebenfalls aus dem Trierer Stadtteil Pfalzel, erlitt offenbar keinen Stromschlag. Die 14-Jährige informierte auch die Rettungskräfte. "Als wir vor Ort eintrafen, lag der Junge schwerstverletzt und bewusstlos auf dem Boden, das Mädchen stand sichtlich unter Schock und konnte sich zum Unfallhergang nicht äußern", berichtet Thomas Reinholz von der Berufsfeuerwehr Trier.

Per Rettungshubschrauber wurde der 16-Jährige in die auf Schwerbrandverletzte spezialisierte Unfallklinik Ludwigshafen gebracht. "Neben inneren Verletzungen verursachen solche Stromschläge häufig auch schwere Brandverletzungen auf der Haut", sagt Bundespolizeisprecher Frücht dazu.

Warum die beiden auf den Eisenbahnwaggon geklettert waren und wie es zu dem Unfall kam, dazu konnte sich das unter Schock stehende Mädchen laut Bundespolizei noch nicht näher äußern. Der riesige, zum großen Teil ungenutzte Rangierbahnhof zwischen dem Mäusheckerweg und dem Industriegebiet im Trierer Hafen sei zumindest nicht als Abenteuerspielplatz bekannt, sagt Thiebaut Puel, Ortsvorsteher von Trier-Ehrang. "Ich habe jedenfalls noch nichts davon gehört, dass sich dort Jugendliche treffen", sagt der Ehranger, zu dessen Stadtteil der Rangierbahnhof gehört. Das Gelände oder die Waggons seien auch keine Orte, an denen Graffiti-Sprüher unterwegs seien.

Abgesperrt ist der Ehranger Rangierbahnhof nicht. "Das ist bei einem so großen Gelände auch gar nicht möglich", sagt Thiebaut Puel. "Wer auf das Gelände gelangen will, kommt hin."
Schwere Unfälle im Zusammenhang mit Oberleitungen passierten leider immer wieder, berichtet Bundespolizeisprecher Stephan Frücht. "Alleine im Bereich der Bundespolizei Trier etwa ein- bis zweimal pro Jahr."
Extra

Immer wieder kommt es zu schweren Unfällen im Zusammenhang mit Oberleitungen an Bahnanlagen:

31. Juli: Bei Arbeiten an einer Oberleitung erleidet ein Bahnarbeiter schwere Verbrennungen. Der 54-Jährige war auf einen Strommast geklettert, um von dort die Oberleitung an einer Bahnstrecke bei Frankfurt zu reparieren.

10. Juli: Bei einer nächtlichen Klettertour auf einen abgestellten Waggon am Güterbahnhof Eifeltor in Köln wird ein 18-Jähriger durch einen Stromschlag schwer verletzt. Er war gemeinsam mit einem gleichaltrigen Kumpel unterwegs, als er in die Nähe einer Oberleitung kam und schwerste Verbrennungen erlitt.

12. Juni: Eine 21-jährige Studentin klettert am frühen Morgen in Mainz auf einen Kesselwaggon, kommt mit der Oberleitung in Berührung, wird von einem Stromschlag getroffen und stirbt sofort.

13. Mai: Auf einem Abstellgleis auf dem Bahnhofsgelände in Hürth-Kalscheuren bei Köln klettern fünf 13- bis 15-jährige Jugendliche auf einen Kesselwagen. Ein 14-Jähriger kommt der Oberleitung zu nahe, ein Lichtbogen trifft den Jungen, der schwere Verbrennungen erleidet.

März 2016: Zwei junge Frauen, 18 und 19 Jahre alt, klettern in Hameln auf einem Nebengleis auf einen Waggon, die 19-Jährige gerät in Kontakt mit der Oberleitung und wird schwer verletzt.

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