Hochwasser Jugendtreff Trier-Ehrang/Quint ist wieder obdachlos

Trier · Nach nicht einmal zwei Monaten müssen Mitarbeiter und Kinder angesichts massiver Hochwasserschäden am Neubau um die Zukunft der Kinder- und Jugendarbeit in Ehrang und Quint bangen.

 Der Allzweckraum des Jugendtreffs. Dort werden sich auf absehbare Zeit keine Jugendlichen treffen.

Der Allzweckraum des Jugendtreffs. Dort werden sich auf absehbare Zeit keine Jugendlichen treffen.

Foto: Hanna Kother

An der Außenwand des grauen Bungalows weist ein Schlammstreifen in etwa 1,60 Metern Höhe auf die Wassermassen hin, die sich auch in der Merowingerstraße im Stadtteil Trier-Ehrang Bahn gebrochen haben. Im Inneren des Hauses zeigt sich das ganze Ausmaß der Flutwelle: der Boden des Allzweckraums ist aufgebrochen. Er ist an manchen Stellen kraterartig abgefallen, an anderen durch die Kraft des Wassers nach oben gedrückt worden. Teile der Decke haben sich gelöst, Türen und Fenster sind gesplittert. „Wir haben in einer Nacht alles verloren“, sagt  Ruth Nohl, Einrichtungsleiterin des Jugendtreffs Ehrang-Quint.

„Nur die Grundmauern sind zu retten“, berichtet Nohl über die Einschätzung des städtischen Amts Gebäudewirtschaft. „Das liegt daran, dass die Innenwände damals nicht gemauert worden sind.“ Aufgrund der herabfallenden Deckenteile musste ein Statiker gerufen werden. „Zuvor waren wir von der Feuerwehr angehalten worden, die Aufräumarbeiten zu unterbrechen“, sagt Nohl. Den hierzu notwendigen Anruf hat die Einrichtungsleiterin über ihr Privathandy getätigt. „Einen Festnetzanschluss besitzen wir nicht mehr, die Büroeinrichtung inklusive aller elektronischer Geräte sowie unseren Akte haben das Wasser nicht überlebt“, berichtet Ruth Nohl. Und auch die neue Küchenzeile musste auf den Müll wandern.

Erst acht Wochen zuvor war die Küche in der Merowingerstraße 66 installiert worden. Und auch die Erzieher hatten gemeinsam mit den 20 bis 25 Kindern, die täglich ihren Weg in den Jugendtreff finden, erst am 15. Mai den Neubau bezogen. Kurz zuvor war das 572 000 Euro teure Projekt fertiggestellt worden. „Mit zwei Jahren Verspätung konnten wir endlich einziehen und haben uns am neuen Standort alle direkt sehr wohl gefühlt“, sagt Nohl, „die Räume waren hell und freundlich gestaltet.“ Nun beginne die Suche nach einer Unterkunft erneut.

Vor Bezug des Neubaus war der Jugendtreff übergangsweise in Räumen des Ehranger Krankenhauses untergekommen. „Die Option besteht nun nicht mehr, weil das Hospital selber stark vom Hochwasser betroffen wurde“, erklärt die Einrichtungsleiterin. Zumindest für die Ferienfreizeit seien Überbrückungsmöglichkeiten gefunden. Nohl: „In der 4. Ferienwoche steht uns beispielsweise das Naturfreundehaus als Zufluchtsort zur Verfügung. Und auch die Kollegen aus der Stadt und der umliegenden Jugendzentren haben uns für die Zeit ihre Unterstützung zugesichert.“ Ansonsten seien sie und ihre Mitarbeiter zur Zeit darauf beschränkt mit dem Bollerwagen und den ihnen verbleibenden Spielsachen durch den Ort zu ziehen. „Dabei sind wir aber auf gute Wetterlagen angewiesen“, sagt Nohl.

Sorge macht der Einrichtungsleiterin und ihren Mitarbeitern die Zeit nach den Ferien. Ruth Nohl: „Langfristig haben wir zurzeit keine Ausweichmöglichkeiten in Aussicht.“ Denn auch den zweiten Standort des Jugendzentrums im Bürgerhaus Ehrang hat das Hochwasser schwer getroffen. Der dort befindliche Jugendkeller ist noch nicht wieder begehbar. Die Räume im Dachgeschoss sind aufgrund des beschädigten Erdgeschosses für die kommende Zeit kaum zugänglich. „Und selbst wenn wir das Dachgeschoss in naher Zukunft wieder nutzen könnten, wäre dies keine langfristige Lösung“, erklärt Jannik Renz, der die Jugendgruppen vor Ort betreut, „Wir wären dort oben ohne Internet und Strom, zudem gibt es im Winter keine Heizung.“

Auch Melanie Bergweiler vom Quartiersmanagement Ehrang ist ratlos. „Normalerweise können der große und kleine Raum im Erdgeschoss des Bürgerhauses angemietet werden“, sagt Bergweiler. Aktuell beherbergen die Räume jedoch nichts außer verschlammten Tischen und Stühlen. Auf der Bühne des großen Saals steht sogar noch das Wasser. „Ich hatte meine Büroräume erst am 14. April bezogen, jetzt bin auch ich obdachlos und tagsüber mit dem Fahrrad in der Nachbarschaft unterwegs“, sagt Bergweiler. Neben ihrem Arbeitsplatz ist auch der Besprechungsraum den Wassermassen zum Opfer gefallen. Ein Umstand der die Organisation der anstehenden Arbeiten enorm erschwere, findet Bergweiler.

Auch deswegen wünschen sich die Betroffenen schnelle Hilfe von den offiziellen Stellen. „Am liebsten wäre uns ein Containerbau in der Merowinger Straße“, sagt Einrichtungsleiterin Ruth Nohl. Eine Idee die auch von Oberbürgermeister Leibe befürwortet worden sei, der sich in der vergangenen Woche die Überbleibsel des Jugendtreffs angesehen hatte. „Allerdings wurde uns insofern auch gesagt, dass Schulen und Kindergärten zunächst Vorrang haben werden“, sagt Nohl. Als problematisch empfindet auch Melanie Bergweiler diese Herangehensweise: „Im Zuge der Hausaufgaben- und Nachmittagsbetreuung werde in den Jugendeinrichtungen vielen Problemen vorgebeugt, die sich ansonsten beispielsweise im Schulalltag niederschlagen würden.“ Außerdem seien auch viele Kinder mit ihren Familien schwer durch das Hochwasser getroffen worden. „Unsere Arbeit würde eigentlich jetzt erst richtig beginnen“, sagt Bergweiler, „jetzt haben die Leute alles weggeräumt, stehen vor den Ruinen ihrer Existenzen und beginnen das Geschehene zu realisieren und zu verarbeiten.“ Insofern sei es wichtig, Einrichtungen vor Ort zu haben, um einen Teil des Schocks abfangen zu können und Familien zu unterstützen.

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