Kabarett Urban Priol sorgt zielsicher für eine spannende Überfahrt auf dem Fluss der Zeit

Trier · Reichlich Erkenntnisse und Weisheiten brachte Urban Priols Kabarettprogramm „Im Fluss“ am Freitag zu rund 480 Zuschauern in die Europahalle nach Trier.

Urban Priol in der Trierer Europahalle.

Urban Priol in der Trierer Europahalle.

Foto: Fabian Pütz

„‚Man kann nicht zweimal in den gleichen Fluss steigen‘, sagt Heraklit, denn alles Sein ist Werden. Man denkt an den Berliner Großflughafen und merkt: der alte Grieche hatte recht.“ Zu diesem Schluss kam Urban Priol, als er am Ende des Abends die Inhalte seiner neuen Show „Im Fluss“ Revue passieren ließ. Um ein Jahr verspätet ist er am Wochen­ende in der Europahalle Trier aufgetreten – mit durchschlagendem Erfolg.

Als der 61-jährige Kabarettist die Bühne im großen Saal betrat, war die Begeisterung der etwa 480 Zuschauer groß. Denn wer Urban Priol kennt, weiß: Der ehemalige deutsche Fernsehpreisträger,  Profisatiriker und gebürtige Aschaffenburger  nimmt kein Blatt vor den Mund, wenn es um die schonungslose Kritik der internationalen, aber vor allem der deutschen Politik­landschaft geht. Und zu kritisieren gab es in den vergangenen Jahren doch Einiges. Wer ihm zuhört, bekommt unweigerlich das Gefühl, von sehr viel Unvernunft und Inkompetenz regiert zu werden. Dabei verschont Priol partei­übergreifend scheinbar niemanden: Ob er Friedrich Merz den „untoten Avatar der Konservativen“ nennt, Jens Spahn als „Frankensteins Gesellenprüfung“ ver­unglimpft, den griechischen Göttervater Zeus als „Kubicki der Antike“ tituliert oder Angela Merkel als „(Ex-)Chef-Am­nestesistin“ bezeichnet. Die Leute lieben die unnachahmlich direkte, theatralische und cholerische Art der bebrillten Ein-Mann-Kabarett-Armee mit den bunten Hemden und der verrückten Einstein-Frisur.

Was er ablieferte, war nicht weniger als eine knapp dreistündige, kabarettistische Show­einlage der Extraklasse. Diese dröselte beinahe jeden politischen Skandal und jede große Krise seit den 1970er Jahren wieder auf und ließ die Fehler der Leidtragenden dabei so schonungslos, überspitzt und offensichtlich zu Tage treten, dass man nicht umherkam sich die Frage zu stellen: Wie konnte es nur so weit kommen? Gefolgt von der Erkenntnis: So kann und darf es doch nicht weitergehen. Eben das, was klassisches Kabarett zum Ziel hat – einen Erkenntnis­gewinn durch Reflektion bewirken, der zum Handeln animiert. Und an Erkenntnissen und Weisheiten hat der Satiriker einiges in petto.              

Mit Argusaugen verfolgt Priol den steten Strom des politischen Geschehens und ist dabei immer am Puls der Zeit. Spontan und tages­aktuell spottet er oft schneller, als sein Schatten denken kann. Das mündet gelegentlich auch mal in Aussagen wie: „Leute sagen zu mir, mach doch mal mehr auf Instagram, da sag ich immer: ‚Nee, danke, das macht doch Philipp Amthor – und so alt bin ich noch nicht.‘“ Eine weitere Erkenntnis Priols: „Früher hat man sich am Stammtisch vol­laufen lassen, Schwachsinn geredet, die Jungs haben einen nach Haus gebracht, und am nächsten Tag war’s vorüber und vergessen. Heute fahren wir danach erst mal den Rechner hoch und wundern uns über die vielen Shitstorms im Netz.“

Die Bandbreite an Themen, die schiere Fülle an Material und die Komplexität seines aktuellen Programms sind eindrucksvoll. Inhaltlich lässt er keine gesellschaftliche Kontroverse aus, die in den vergangenen Jahren die Herzen der Menschen bewegt hat. Es geht um die Verfehlungen der Ampelkoalition der und Impf­politik, den latenten Fachkräfte­mangel, „Fridays for Future“, den Digitalisierungs­wahnsinn, Bruch­linien in der gespaltenen Gesellschaft, Framing und politisches Wording und vieles mehr.

Am Ende seines die grauen Zellen bis aufs Äußere beanspruchenden Vortrags hat man das Gefühl, etwas gelernt zu haben. Es kommt die Erkenntnis, dass die Probleme der Menschen sich immer wiederholen und dabei nur immer neue Formen annehmen, die sich dem aktuellen Zeitgeist anpassen. Die Frage scheint am Ende diese: Obwohl alles immer fließt und in Bewegung bleibt, warum bleiben die Probleme des Menschen seit der Antike dieselben? Es scheint diese Frage zu sein, der Urban Priol sein neues Programm gewidmet hat. Und es macht unheimlichen Spaß, ihm beim Sinnieren und Philosophieren zuzuschauen.    

Wer mehr von Urban Priol sehen möchte:http://urbanpriol.de/aa/

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