Kämpferisch, aber auch kooperativ

Winterliche Temperaturen draußen, frostige Stimmung drinnen: Bei einer gewerkschaftlich organisierten Versammlung von Vertrauensleuten des Gerolsteiner Brunnens am Wochenende stimmte der Betriebsrat die rund 50 Mitarbeiter auf "harte Wochen und Monate" ein. Im Rahmen der vom Unternehmen eingeleiteten Umstrukturierung (der TV berichtete) wird mit einer massiven Kündigungswelle gerechnet. Das soll aber nicht kampflos hingenommen werden.

 Die beiden Betriebsräte des Gerolsteiner Brunnens (von links), Werner Jung und Karl Hermes, schwören die gewerkschaftlich organisierten Mitarbeiter auf „harte Zeiten“ ein. TV-Foto: Mario Hübner

Die beiden Betriebsräte des Gerolsteiner Brunnens (von links), Werner Jung und Karl Hermes, schwören die gewerkschaftlich organisierten Mitarbeiter auf „harte Zeiten“ ein. TV-Foto: Mario Hübner

Lissendorf/Gerolstein. Werner Jung, Betriebsratsvorsitzender des Gerolsteiner Brunnens, sagte zu den rund 50 Mitarbeitern bei der außerordentlichen Versammlung am Wochenende in Lissendorf: "Wir brauchen in den nächsten Wochen einen ganz starken Zusammenhalt, denn ich denke, dass bald ganz schön die Post abgehen wird." Sein Kollege Karl Hermes fügte hinzu: "Ich habe das miese Gefühl, dass da was ganz Dickes auf uns zukommt."

Jung: Große Angst in der Belegschaft

 Die beiden Betriebsräte des Gerolsteiner Brunnens (von links), Werner Jung und Karl Hermes, schwören die gewerkschaftlich organisierten Mitarbeiter auf „harte Zeiten“ ein. TV-Foto: Mario Hübner

Die beiden Betriebsräte des Gerolsteiner Brunnens (von links), Werner Jung und Karl Hermes, schwören die gewerkschaftlich organisierten Mitarbeiter auf „harte Zeiten“ ein. TV-Foto: Mario Hübner



Mit Verweis auf die hohe Beteiligung - üblicherweise kämen zu diesen Treffen gerade einmal 15 Leute - meinte Jung: "Allein, dass so viele von euch da sind, zeigt, wie groß das Interesse, aber auch die Angst in der Belegschaft ist." Worauf die beiden Arbeitnehmer-Vertreter anspielten, war auch ohne die Nennung von Zahlen - die von der Geschäftsführung noch nicht vorgelegt wurden - allen Beteiligten im Saal klar: Im Rahmen der von der Unternehmensspitze eingeleiteten Umstrukturierung, für die Berater der Boston Consulting Group eingekauft wurden (der TV berichtete), wird eine massive Kündigungswelle befürchtet.

Die aktuelle Absatzkrise des Unternehmens wird bei Betriebsrat und Beschäftigten aber nicht als Folge der globalen Wirtschaftskrise gesehen - zumindest nicht als einziger Grund. Vielmehr machen sie "extreme Management-Fehler" in den vergangenen Jahren aus. Nach zunächst massiver Expansion mit Aufkäufen mehrerer kleiner Mineralbrunnen im Osten unter der Führung von Peter Traumann habe es unter der gleichen Regie einige Jahre später die absolute Kehrtwende mit dem Verkauf dieser Töchter - und damit auch dem unwiederbringlichen Verlust von Märkten - gegeben. Dazu kommt der Verkauf der Limo-Marke Gerri, die heute bereut würde. Dann, unter der Regie von Jörg Croseck, die massive Ausrichtung auf Einweggebinde und Süß- beziehungsweise "Wellness-Getränke" mit der Ankündigung von Millioneninvestitionen. Und nun - nur einige Monate später und unter Leitung des neuen Geschäftsführers Axel Dahm - die 180-Grad-Drehung mit Investitionsstopp sowie der Rückbesinnung auf Mineralwasser. Jungs Kommentar: "Absoluter Wahnsinn." Sein Kollege Hermes trifft die Stimmung in der Belegschaft: "Wir alle haben Gerolsteiner aufgebaut und zur Nummer Eins gemacht und sollen nun, nachdem das Management das Unternehmen an die Wand gefahren hat, alles ausbaden. Aber nicht mit uns!" Klar, dass sich der Betriebsrat in dieser Lage kämpferisch gibt (Hermes: "Wir werden um jeden einzelnen Job ringen, und dabei ist uns jedes Mittel recht."), doch es wird auch die Kooperation angestrebt. So wolle man "den neuen Weg mitgehen" und sei auch bereit, Zugeständnisse zu machen. Jung: "Betriebsrente, Haustrunk, Sonderzahlung: Über alles kann geredet werden, wenn das Arbeitsplätze bringt." Sein Appell an die Geschäftsführung: "Dazu müssen wir aber eingebunden werden, bevor Entscheidungen gefällt sind."

Meinung

Alle mit ins Boot

Die nächsten Wochen dürften für den Gerolsteiner Brunnen eine der schwierigsten in der Firmengeschichte werden. Nachdem der Absatz seit Jahren rückläufig ist, die Zielvorgaben aber nie der Realität angepasst wurden, hat der neue Geschäftsführer Axel Dahm einen massiven Schnitt angekündigt. Das wird auch Jobs kosten. Daher ist die Firmenspitze gut beraten, sich nicht nur auf die für viel Geld eingekauften externen Berater zu verlassen, sondern die Belegschaft frühzeitig mit ins Boot zu holen um gemeinsam das Unternehmen wieder auf Kurs zu bringen. Denn die kennt ihren Brunnen immer noch am besten. Was weder der Brunnen noch die Region in nächster Zeit gebrauchen kann, ist ein langwieriger Arbeitskampf. m.huebner@volksfreund.de

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