Kasper-Theater
Es hat schon etwas Gespenstisches und zudem einen Hauch von absurdem Theater: Eine 85-Jährige lebt ohne Strom, Wasser und Heizung in ihrem zusehends zerfallenden Haus - und das seit Jahrzehnten. Fast eben so lange trotzt sie, obwohl ohne Einkommen, allen Versuchen, ihr das Hab und Gut abzukaufen.
Abgesehen vom unsäglichen Bild, das sich am Viehmarkt bietet , und von der - mittlerweile notdürftig im Zaum gehaltenen - Gesundheitsgefährdung, die vom Taubendreck im einstigen "Gasthaus Jenny Kasper" ausgehen, lässt sich der unendlichen Geschichte durchaus auch etwas Positives abgewinnen: Der Rechtsstaat lebt. Da kann die alte Dame nämlich nicht "einfach mal so" über den Tisch gezogen werden, weil sie geschäftlichen Interessen im Wege steht. Eigentumsrecht ist eine komplizierte Angelegenheit. So lange von der Neustraße 84 keine direkte Gefahr für die Öffentlichkeit ausgeht, bewerten Richter das als Privatsache. Und so lange keine rechtsgültige Unterschrift unter dem Kaufvertrag steht, gammelt die Ruine weiterhin vor sich hin. Apropos Rechtsstaat: "Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen", heißt es in Artikel 14 des Grundgesetzes. Daran zu erinnern, ist ebenfalls legitim. r.morgen@volksfreund.de